Negativzins:Lieber investieren als zahlen

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Besonders von Firmen verlangen Banken zunehmend eine Strafgebühr für Geldreserven auf dem Konto. Das zeigt eine neue Umfrage. Die Unternehmen versuchen allerdings, dem Negativzins auszuweichen.

Von Harald Freiberger, München

Der Negativzins wird für Unternehmen zu einem immer größeren Problem. Jede fünfte Firma in Deutschland ist von ihrer Bank bereits mit dem Thema konfrontiert worden, zeigt eine Umfrage des Münchner Ifo-Instituts bei 4000 Unternehmen aus Industrie, Bau, Handel und Dienstleistungen. Dabei gilt: Je größer die Unternehmen, umso häufiger werden sie von den Banken angesprochen - offenbar, weil der Leidensdruck der Kreditinstitute bei höheren Summen zunimmt. Bei Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern wurde bereits jedes dritte von seiner Bank mit dem Negativzins konfrontiert.

Die Firmen versuchen den Strafzins zu vermeiden, wie die Umfrage ebenfalls offenbart. Jedes zweite Unternehmen, das von seiner Bank angesprochen wurde, begann darüber zu verhandeln. 36 Prozent wechselten gleich zu einer anderen Bank, die noch keine Negativzinsen erhebt. 30 Prozent schichteten in andere Finanzanlagen um, auf die kein Negativzins erhoben wird, zum Beispiel Anleihen oder Fonds. Und elf Prozent der angesprochenen Unternehmen gaben an, dass sie ihre Investitionen erhöht oder vorgezogen haben. "Insbesondere diese Reaktion ist aus volkswirtschaftlicher Perspektive interessant, da sie nicht nur monetäre, sondern auch realwirtschaftliche Auswirkungen hat", sagt Artem Marjenko, Mit-Autor der Studie.

Zumindest indirekt ist dies genau die Wirkung, die die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer unkonventionellen Maßnahme anstrebt. Sie verlangt von Banken seit Sommer 2014 einen negativen Zins auf kurzfristige Einlagen; inzwischen liegt dieser bei minus 0,4 Prozent. Das heißt: Auf eine kurzfristige Anlage von einer Million Euro werden im Jahr 4000 Euro Strafzins fällig. Mit dem Schritt will die EZB die Banken dazu verleiten, weniger Geld zu bunkern und mehr Kredite an Unternehmen zu vergeben. Auf diese Weise soll die Wirtschaft angekurbelt werden, wodurch auch die Preise stiegen; dadurch käme die EZB ihrem eigentlichen Ziel näher: einer Inflationsrate von nahezu zwei Prozent.

An Kunden mit hohen Einlagen geben die Banken den Negativzins schon länger weiter. So verlangen sie die 0,4 Prozent etwa von institutionellen Anlegern wie Pensionsfonds oder Versicherern, teilweise auch von Privatleuten mit hohen Vermögen. Weniger vermögende Privatkunden bleiben von Negativzinsen noch weitgehend verschont. Nur wenige Banken berechnen ihnen einen Strafzins, eine davon ist die Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee, die ab 100 000 Euro kurzfristig angelegtem Geld 0,4 Prozent verlangt.

Dass Banken mit Firmenkunden Gespräche über den Negativzins führen, war schon länger bekannt. Mehrere Kreditinstitute gaben an, dass sie sich dazu gezwungen sehen, weil sie die Last nicht alleine tragen könnten. Die Umfrage des Ifo-Instituts ist nun die erste Erhebung, die das Thema quantifiziert. "Laut der Studie kämpft mittlerweile jedes fünfte Unternehmen in Deutschland mit den anomalen Zinsen", sagt Mit-Autor Marjenko. Die Umfrage offenbarte auch deutliche regionale Unterschiede: Am meisten mit Negativzinsen konfrontiert waren Firmen in Sachsen (30 Prozent) und Bayern (23 Prozent), am wenigsten in Schleswig-Holstein (10 Prozent) und Brandenburg (11 Prozent).

Schon vor sechs Monaten schilderten einzelne Unternehmen, dass sie von ihren Banken auf Negativzinsen angesprochen wurden. Eines davon war der Chemiekonzern Wacker. Finanzchef Tobias Ohler gab an, dass der Konzern auf einen mittleren fünfstelligen Euro-Betrag negative Zinsen zahle. Er hat seine Liquidität so umgeschichtet, dass sie größtenteils zinsfrei bleibe. Ohler beobachtete, dass das Problem für die Banken immer drängender wird. "Ich habe auch Verständnis dafür", sagte er. Je länger die Phase dauere, umso mehr Banken brächten es zur Sprache. "In der Regel läuft es so, dass die Bank einen zweistelligen Millionen-Betrag als Freigrenze gewährt", sagte der Finanzchef. Er könne sich vorstellen, dass sein Konzern künftig noch mehr für Negativzinsen ausgeben muss.

© SZ vom 10.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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