Nahaufnahme:Der PS-Profi

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Jean Pierre Kraemer ist ein Schrauber aus dem Ruhrgebiet. Und ein Unternehmer, der die sozialen Medien für sich nutzt.

Von Valentin Dornis

Geschichten aus der Autowerkstatt können sehr unterhaltsam sein. Vor allem dann, wenn sie im Freundeskreis herumerzählt werden. Es gibt aber auch Schrauber, die genau diese Geschichten aus der Werkstatt zum Verkaufsrezept gemacht haben. So wie Jean Pierre Kraemer, 36, gelernter Automobilkaufmann. Er ist eines der wohl bekanntesten Gesichter der deutschen Autotuner-Szene und Geschäftsführer der Tuningwerkstatt JP Performance. Ein Schrauber aus dem Ruhrgebiet - aber gleichzeitig ein Unternehmer, der die sozialen Medien geschickt für seine Vermarktung nutzt.

Mehr als 600 000 Menschen gefällt seine Facebook-Seite, sein Youtube-Kanal hat sogar noch mehr Abonnenten. Zum Vergleich: Die Facebook-Seite der Bundesregierung gefällt nur knapp 370 000 Menschen. An die Reichweite von JP Performance kommt in der Tuningbranche kaum jemand heran, und vor allem keine Firma, die im Kern immer noch eines ist: eine relativ kleine Werkstatt, in der Autos umgebaut werden. Kraemer hat verstanden, wie wichtig Marken in seiner Branche sind. Also machte er sich und seine im Jahr 2012 gegründete Werkstatt selbst zu einer Marke.

Mittlerweile hat er zwei Mediengestalter angestellt, die Videos für seinen Youtube-Kanal produzieren. "Manchmal ist die Liebe, die wir Tuner für ein Automobil haben, auch krankhaft", sagt Kraemer. Er legt Autos tiefer, baut Turbolader ein und modifiziert Abgasanlagen. Fast immer ist eine Kamera dabei, jeden Werktag gibt es ein neues Video. Dabei profitiert er von seiner Moderationserfahrung, die er seit 2009 in mehr als 100 Episoden der Doku-Soap "Die PS-Profis" sammelte, die er mit seinem früheren Geschäftspartner Sidney Hoffmann für den TV-Sender Sport 1 drehte. Seine lockere, fast tollpatschige Art kam gut an. Kraemer spricht mit Ruhrpott-Dialekt, seine Werkstatt steht in einem Industriegebiet in Dortmund. Wenn Fans ihn dort besuchen, ist er offen und herzlich. Er hat es geschafft, sich den Ruf als Typ von nebenan zu bewahren, obwohl er in seiner Zielgruppe ein Medien-Star ist. Er setzt sich auch für die Tuning-Szene ein, die seiner Meinung nach durch gezielte Polizeikontrollen schikaniert wird.

Kritiker bemängeln, Kraemers Umbauten seien zu teuer, man zahle eine Art "Promi-Aufschlag". Doch die Kunden nehmen das hin - vielleicht trifft man beim Abholen des Wagens ja sogar den Chef persönlich. Neben dem Tuning hat Kraemer mittlerweile noch ein weiteres Geschäftsfeld erschlossen: Unter dem Label JP Clothing verkauft er Kleidung mit seinem Logo. Besonders beliebt: Kappen, sogenannte Snapbacks. Zwischenzeitlich bot Kraemer deshalb sogar ein extra T-Shirt an, auf dem die Kappen als eigene Motive abgedruckt waren.

Und natürlich ist auch der Youtube-Kanal kein bloßer Spaß, sondern dürfte ebenfalls Geld einbringen. In seinen Videos platziert Kraemer immer mal wieder Produkte bestimmter Hersteller. Mit dem Youtube-Kanal steht Kraemer beim Multichannel-Netzwerk Studio 71 der Pro-Sieben-Gruppe unter Vertrag. Solche Netzwerke helfen unter anderem dabei, Kontakte zu Kooperationspartnern und Werbekunden zu knüpfen.

In seinen Videos erklärt Kraemer auch, wie die Technik funktioniert, die er verbaut. In diesem Jahr hielt er erstmals eine Vorlesung zur "Elektronik an Verbrennungsmotoren" an der RWTH Aachen. Im Juli sagte er, er wolle wieder mehr zum Schrauber werden und weniger als öffentliche Person auftreten: "Ich glaube, der Trend des JP wird nicht mehr so lange anhalten." Bis dahin schauen weiterhin Hunderttausende Menschen im Internet dabei zu, wie Jean Pierre Kraemer in seiner Werkstatt Autos tieferlegt.

© SZ vom 14.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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