Nahaufnahme:Der Charmeur

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"Unser Plan gibt vielen Leuten in unserem Konzern Hoffnung", sagt Luca de Meo. (Foto: Joel Saget/AFP)

Der neue Renault-Chef Luca de Meo muss den Konzern retten und will dabei die Gesetze der Autobranche verändern.

Von Leo Klimm

Mit Wortspielen verhält es sich wie mit schlechten Witzen. Nicht jedes, das einem einfällt, muss man auch machen. Luca de Meo, 53, hat seinen Sanierungsplan trotzdem "Renaulution" genannt.

Entscheidend ist für ihn, dass sich die Botschaft einprägt, die er mit der Spielerei verbindet - und das tut sie: Renault, krisengeschüttelter Autohersteller, soll sich unter de Meos Führung radikal ändern. Nach dem Sturz des früheren Konzernherrschers Carlos Ghosn über dubiose Finanzaffären wird nun dessen unternehmerisches Erbe entsorgt: Der Pariser Konzern trachtet nicht mehr nach Größe, sagt de Meo. Das Streben nach Absatzrekorden sei "klar gescheitert".

Der neue Renault-Chef hat am Donnerstag seinen Sanierungsplan vorgestellt. Und seine vollmundig angekündigte "Renaulution" wirkt, als wolle er gleich einen Paradigmenwechsel für die gesamte Autobranche ausrufen. Ausgerechnet er, ein Globalisierungsmanager par excellence, der von Fiat über VW bis hin zu Toyota allen gedient hat, spricht von einem "unvernünftigen Rennen um Größe". Dazu passt, dass Renaults strategische Allianz mit den japanischen Partnern Nissan und Mitsubishi bei de Meos Auftritt nur eine Nebenrolle spielt. Er muss sich auf seine Retterrolle konzentrieren. Im vergangenen Sommer holte ihn der Renault-Konzern zurück, bei dem er vor 29 Jahren seine steile Karriere begonnen hat. Eines der ersten Dinge, die der erste Nicht-Franzose an der Renault-Spitze tun musste, war die Verkündung eines Halbjahresverlusts in Höhe von 7,3 Milliarden Euro, dem höchsten in der 120-jährigen Firmengeschichte. 15 000 Stellen werden gestrichen.

Seitdem geht es ebenso dramatisch weiter. 2020 brach der Absatz um ein Fünftel ein. Die Corona-Krise trifft Renault besonders hart, hinzu kommen die technologischen Umbrüche und anspruchsvolle Abgasauflagen. Dabei ist das Trauma, das der Skandal um Ghosns vermeintliche Millionenbetrügereien hinterlassen hat, im Unternehmen nicht überwunden.

De Meo deutet diese diffizile Lage als Chance. Der Freizeit-DJ ist in der Branche als Motivationskünstler bekannt. "Unser Plan gibt vielen Leuten in unserem Konzern Hoffnung", sagt er. Einen gewissen Hang zum schönen Schein mag er mit seinem in Ungnade gefallenen Vorgänger teilen: die Maßanzüge sitzen so perfekt wie die silberne Haartolle, am Handgelenk prangt eine wuchtige Uhr. Aber da, wo bei Ghosn kalter Machthunger aus allen Poren drang, lässt de Meo italienischen Charme spielen. Wenn er spricht - das kann er in fünf Sprachen einschließlich Deutsch - erinnert er an jenen Werbe-Italiener aus einem Nescafé-Spot der Neunziger, der einer blonden Frau mit treuem Blick beteuerte, er habe gar kein Auto.

Der Unterschied ist, dass de Meo Autos hat - und zwar viel mehr, als er verkaufen kann. Also drückt er die Kosten, senkt die Fertigungskapazitäten, reduziert die Zahl der Modell-Plattformen. Renault soll sich auch auf den Kernmarkt Europa konzentrieren. Weitere Jobs werde das nicht kosten, versichert er. Die erfolgreichen Konzernmarken Dacia und Lada werden aufgewertet, Renault selbst soll bei Mittelklassewagen in Konkurrenz zum VW-Golf wieder stärker werden. Bis 2025 soll die Hälfte der Modelle Elektroantrieb haben. Den Anlegern verspricht de Meo von 2025 an mindestens fünf Prozent Rendite. Nur: So viel schaffte der Konzern schon 2019.

Für Nostalgiker hatte de Meo am Donnerstag auch etwas parat. Er belebt das legendäre Modell R5 wieder, ausschließlich als Elektroauto. Ist das nun retro oder revolutionär? Vor allem kopiert er sich damit selbst: Als er bei Fiat war, hat er den berühmten 500er wieder zum Leben erweckt - und den Konzern damit aus der Krise geholt.

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