Nahaufnahme:An der Kette

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Philipp Sandner: "In allen Bereichen, in denen es komplizierte Verrechnungssysteme gibt, kann die Einführung eines Blockchainsystems sinnvoll sein." (Foto: oh)

Oldtimer, die zerlegt werden, und salzstreuende Traktoren, die automatisch abrechnen: Philipp Sandner baut die Blockchain-Technik dort ein, wo man sie nicht vermutet.

Von Simon Ax

Man hat ihm eine Probefahrt mit einem Oldtimer angeboten, aber so autoaffin sei er dann doch nicht, sagt Philipp Sandner. Es ist Sommer und er steht in einem Autohaus in Oldenburg. Für viele wäre eine Probefahrt in einem Oldtimer bestimmt sehr verlockend. Philipp Sandner, Professor an der privaten Hochschule Frankfurt School of Finance, ist aber aus einem anderen Grund hier. Er wird zusammen mit einem Liechtensteiner Start-up drei der Fahrzeuge auf die Blockchain bringen. Blockchain? Oldtimer? Was ist da los in Oldenburg?

Alte Autos kennen die Leute aus dem Straßenverkehr, eine Blockchain im Einsatz haben die meisten dagegen noch nicht gesehen. Sie ist die Technik hinter der Kryptowährung Bitcoin, dem verschlüsselten Geld aus den Tiefen des Internets. Die Technik kann auch andere Dinge - wie im Fall der Oldenburger Oldtimer. Hier wird nun, vereinfacht gesagt, in einem IT-System festgelegt, wem das Fahrzeug gehört. Außerdem könne man nun einen Oldtimer virtuell in beliebig viele Anteile aufspalten. Diese Anteile kann man dann kaufen und handeln, ähnlich wie Aktien. "In zehn Jahren wird alles, was den Austausch von Werten betrifft, über solche Systeme laufen", proklamiert der 40-jährige Sandner.

In einer Blockchain werden Informationen in einem dezentralen Register auf vielen Rechnern gleichzeitig gespeichert und fälschungssicher übertragen. Wegen der vielen Knotenpunkte in einem solchen dezentralen System ist eine Blockchain außerdem gut vor Hackerangriffen geschützt. Heiß diskutiert wurde die Technik rund um den Bitcoin-Hype 2017, der Wert der Kryptowährung schoss damals in ungeahnte Höhen. Zu Jahresanfang kostete ein Bitcoin weniger als 1000 Dollar, im Dezember waren es fast 20 000 Dollar. Dann kollabierte der Kurs, fiel wieder unter 4000 Dollar. Der Hype war passé. Derzeit liegt der Kurs wieder bei rund 13 000 Dollar - und die Aufmerksamkeit steigt erneut, auch für andere Blockchain-Projekte.

Philipp Sandner ärgert sich ein bisschen darüber, dass sich ein Großteil der Aufmerksamkeit nur auf die Kryptowährungen fokussiert. "Die Blockchain kann so viel mehr", sagt er. Sandner sitzt im Fintech-Rat des Bundesfinanzministeriums und in der Arbeitsgruppe "Blockchain Observatory" der EU-Kommission.

Der Traktor verteilt Streugut per Blockchain

Neben dem Einsatz beim Bezahlen werde die Blockchain auch in der Logistik und der Energiewirtschaft zum Einsatz kommen, glaubt Sandner. "In allen Bereichen, in denen es komplizierte Verrechnungssysteme gibt, kann die Einführung eines Blockchainsystems sinnvoll sein", sagt Sandner. Vor Kurzem betreute er beispielsweise ein Projekt eines Traktorenherstellers mit einem Start-up, das abrechnet, wie Streugut ausgebracht wird. Eine Kommune kann nun einen Traktor mit Streugut für nur zehn Kilometer Straße bestellen. Abgerechnet wird automatisch und in Echtzeit, über die Blockchain. Ein bisschen wie Carsharing für Streusalz. Prinzipiell bräuchte man dafür gar keine Blockchain, sagt Sandner. Aus seiner Sicht ist der Prozess mit der Technik jedoch hoch automatisiert, transparent und sehr sicher.

Die Blockchain ist allerdings nicht für jede Firma leicht verständlich, sie braucht dann externe Hilfe, was Geld kostet. Auch der Energieverbrauch mancher Anwendungen steht in der Kritik.

Insgesamt stehe die Blockchain-Technologie noch relativ am Anfang, sagt Sandner. Man befände sich in etwa da, wo sich das Smartphone 2007 befand. Das erste iPhone war bereits auf dem Markt, aber nur wenige Menschen verwendeten es. Jetzt steckt es in vielen Hand- und Hosentaschen.

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