Nachruf:Marella Agnelli

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Stilikone und Industrielle: Marella Agnelli zusammen mit ihrem Sohn Edoardo 1962 in Mailand. (Foto: Imago/Leemage)

Gemeinsam waren sie das inoffizielle Königspaar Italiens: Giovanni und Marella, die Prinzessin. Am Samstag starb sie im Alter von 91 Jahren.

Von Thomas Fromm

Lange bevor der italienische Innenminister und Rechtspopulist Matteo Salvini über die Marktplätze polterte und pöbelte, und lange bevor der verurteilte Steuerhinterzieher und viermalige Ministerpräsident Silvio Berlusconi zu seinen berüchtigten Bunga-Bunga-Partys in seine Villa bei Mailand lud, lange also bevor der öffentliche Diskurs dieses wunderbaren Landes von übel gelaunten Populisten geprägt wurde, gab es in Turin ein Paar, das nicht nur für eine Industrieikone stand, sondern vor allem für ein elegantes, weltgewandtes Auftreten. Er, Giovanni Agnelli, war nicht nur der Erbe der Fiat-Dynastie. Er war, im Nebenberuf sozusagen, auch Italiens gefürchtetster Playboy (damals gab es so etwas noch) und glamourösester Jetsetter. Im Jahre 1953 heiratete der umtriebige "avvocato", der Rechtsanwalt, wie sie ihn in Italien nannten, standesgemäß eine Prinzessin: Marella Caracciolo di Castagneto. Der Vater: neapolitanischer Hochadel. Die Mutter: eine Amerikanerin aus Illinois.

Gemeinsam waren die beiden bis zu Giovanni Agnellis Tod im Jahre 2003 mehr als nur die Fiat-Familie, die mit ihren Autowerken das Land mit Arbeitsplätzen versorgte. Sie waren auch so etwas wie die Kennedys Italiens. Einige meinten, die Villa der Agnellis über Turin sei im Grunde über viele Jahre das inoffizielle Königshaus Italiens gewesen. Giovanni der Patriarch, Marella die Prinzessin.

Als sie ihn heiratete, war die Prinzessin aus Neapel bereits eine Stilikone. Ein Bild des New Yorker Fotografen Richard Avedon aus den frühen 50er-Jahren stilisiert die junge Frau als grazile Halbgöttin in schwarz-weiß. Sie fotografierte selbst, sammelte Kunst, hielt Hof, irgendwo zwischen der Park Avenue in New York und den Familienanwesen im Piemont. Zum Zirkel der Prinzessin gehörten die Großen, Andy Warhol, Truman Capote, die Kennedys, Schauspieler aus Rom und dem Rest der Welt. In Turin wurde sogar ein Kunstmuseum nach den Agnellis benannt - das gibt es eher selten in der Geschichte der Autoindustrie.

Ein Leben mit großen Partys und eleganten Empfängen, aber auch mit ganz großen Dramen. An einem Novembertag des Jahres 2000 stieg ihr einziger Sohn Edoardo, von dem es hieß, dass er für die Nachfolge seines berühmten Vaters nicht geeignet war, morgens aus dem Bett. Er zog sich eine Jacke über den Pyjama, setzte sich ins Auto, fuhr zu einer Bogenbrücke südlich von Turin und stürzte sich 80 Meter in die Tiefe. Zuletzt lebte die Witwe des Giovanni Agnelli zurückgezogen in Turin, wo sie am Samstag im Alter von 91 Jahren starb.

© SZ vom 25.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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