Nachruf:Mann mit Charisma

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Wolfgang Mayrhuber ist im Alter von 71 Jahren gestorben. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Wolfgang Mayrhuber, der ehemalige Konzernchef der Lufthansa, ist nach langer Krankheit gestorben.

Von Jens Flottau

Es war einer dieser Cocktail-Empfänge des Airline-Branchenverbandes IATA, bei denen man zusammen herumsteht, bevor am nächsten Morgen das formale Programm der Tagung beginnt. "Ich bin der kleine Wolfi", scherzte in einer dieser Runden Wolfgang Prock-Schauer, damals Chef der indischen Jet Airways und später einmal bei Air Berlin. Dann schaute er zu Wolfgang Mayrhuber und sagte: "Und das da, das ist der große Wolfi." Der lächelte und widersprach nicht.

Der Spruch bezog sich natürlich nicht nur auf die Körpergröße der beiden Österreicher. Denn Wolfgang Mayrhuber, der am vergangenen Samstag nach langer Krankheit im Alter von 71 Jahren gestorben ist, war für die Lufthansa in der Tat ein Großer. Ohne die Entscheidungen in den sieben Jahren, die Mayrhuber bis 2010 an der Konzernspitze verbracht hatte, würde Lufthansa heute anders aussehen, er schuf die Grundlagen des heutigen Airline-Verbundes. Und doch war Mayrhubers Wirken auch umstritten - manches ging schief, manches packte er gar nicht erst an, und manches endete auch im Streit.

Mayrhuber hatte eine große Stärke, die in einem Konzern auf längere Sicht auch eine Schwäche werden kann. Er hatte Charisma im Überfluss - wenn er einen Raum betrat, dann füllte er diesen mit seiner Präsenz. Das hat seine Vorteile, wenn man ein Programm hat, das man gegen interne Widerstände durchziehen will. Es hat auch seine Nachteile, wenn sich diejenigen, die ein paar berechtige Einwände gegen einzelne Aspekte des Programms haben, nicht mehr trauen, diese dem Chef auch nahezulegen. So bekommt am Ende der Chef manchmal Kritik nicht mehr zu hören, die er besser mal berücksichtigt hätte. In diesem Sinne war Mayrhuber für die Lufthansa wohl manchmal ein bisschen zu charismatisch, oder aber seine Mitarbeiter irgendwann nicht mehr mutig genug.

Mayrhuber kam 2003 als Nachfolger des langjährigen Lufthansa-Chefs Jürgen Weber an die Spitze. Eine undankbare Aufgabe, schließlich war es Weber, der aus einem Pleitekandidaten Anfang der 90er-Jahre eine weltweit führende Airline machte. Mayrhuber leitete damals das Sanierungsteam und wurde von Weber nach erfolgreich geleisteter Arbeit mit dem Chefposten in der Wartungssparte Lufthansa Technik belohnt. 2001 holte ihn Weber dann zunächst als seinen Stellvertreter in die Zentrale nach Frankfurt. Die beiden waren Weggefährten und lange Zeit Freunde, später zerstritten sie sich böse.

Mayrhuber wollte auch die marode Alitalia übenehmen

Das Programm des Neuen an der Spitze hieß nach der Krise der Jahre 2001 und 2002 Wachstum und Übernahmen. Nachdem Air France und KLM 2004 die gemeinsame Holding Air France-KLM gegründet hatten, zog Mayrhuber ein Jahr später nach und kaufte die zu diesem Zeitpunkt schon weitgehend sanierte Swiss International Air Lines. 2008 stieg Lufthansa bei Brussels Airlines ein und beschloss den Kauf von Austrian. Weber konnte in der Phase als Aufsichtsratschef in letzter Sekunde noch verhindern, dass Mayrhuber auch noch die marode Alitalia übernahm.

Der Konzernchef kaufte ein, aber er integrierte nicht, sondern ließ die verschiedenen Airlines in der Gruppe mit Vergnügen gegeneinander fliegen. "Mayrhuber liebt Komplexität", klagte damals ein Aufsichtsrat. Und die Billig-Airlines nahm er auch nicht so richtig ernst. Sich mit denen auseinanderzusetzen und zu sparen, das überließ er gerne seinen Nachfolgern Christoph Franz und Carsten Spohr.

Zwei Jahre, nachdem er aus dem Vorstand ausgeschieden war, kehrte Mayrhuber als Aufsichtsratschef zu Lufthansa zurück, obwohl dies Proteste von Investoren beinahe noch verhindert hätten. Den heutigen Vorstandschef Carsten Spohr ließ er lange zappeln, bis er ihm 2014 den Job dann doch gab, zuvor ließ er extern suchen - die beiden sind auch deswegen nie richtig warm miteinander geworden. Es war Mayrhubers letzte große Entscheidung in dem Konzern, bei dem er mehr als 40 Jahre zuvor als Ingenieur in der Triebwerkswartung begonnen hatte. Eine schwere Krankheit schwächte Mayrhuber in den letzten Jahren sichtbar immer mehr, 2017 gab er deswegen den Chefposten im Aufsichtsrat seiner geliebten Lufthansa ab.

© SZ vom 04.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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