Nachruf:Der Mann vor der großen Reform

CDU-Sozialpolitiker Bernhard Jagoda stand lange Zeit an der Spitze der Bundesanstalt für Arbeit. Nun ist er tot.

Von Alexander Hagelüken

Bernhard Jagodas Weg ist typisch dafür, wie sich Menschen im deutschen Wirtschaftswunder nach oben arbeiteten: Sohn eines Bergmanns, mittlere Reife mit 23 durch Abendkurse - und dann Abgeordneter im Bundestag, sogar Staatssekretär. 1993 gelangte der CDU-Sozialpolitiker Jagoda an die Spitze der Bundesanstalt für Arbeit (BA) und baute in den neuen Ländern eine Arbeitsverwaltung auf. Es waren schwere Zeiten: Die Wiedervereinigung und das Ausbleiben von Reformen trieben die Arbeitslosigkeit auf den höchsten Stand seit Kriegsende. Manche machten dafür Jagodas BA mitverantwortlich, als strukturkonservative Riesenorganisation mit 100 000 Mitarbeitern, die nur zum Teil für die Vermittlung von Jobs eingesetzt waren. Andere hielten Jagoda zugute, er habe eine Modernisierung angestrebt, sein Spielraum sei aber begrenzt gewesen: Arbeitgeber und Gewerkschaften neutralisierten sich in der BA gegenseitig. Die Schwerfälligkeit der Anstalt missfiel der Regierung Gerhard Schröder. 2002 ermittelte ein interner Rechnungshofbericht, enthüllt von der Süddeutschen Zeitung, dass viele Jobvermittlungen nur auf dem Papier standen. Der Skandal zwang den unabsetzbaren Jagoda zum Rücktritt. Schröder nutzte im Wahljahr die Chance, die Anstalt völlig umzubauen und die Hartz-Kommission einzuberufen, die weitreichende Sozialreformen einleitete. Bernhard Jagoda, der Mann am Übergang von einer alten in eine völlig neue Zeit, ist jetzt mit 74 gestorben.

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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