Kontrollen in der Modeindustrie:Abhaken und weitermachen

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Vor zehn Jahren stürzte in Bangladesch eine Textilfabrik ein. EU-Firmen sollen ihre Zulieferer künftig besser kontrollieren. (Foto: Abir Abdullah/dpa)

Um zu überprüfen, ob Standards eingehalten werden, setzt die Textilindustrie auf Audits. Doch Kontrollen können nicht alle Probleme lösen, wie Unglücksfälle zeigen.

Von Clara Thier

Zu viele Überstunden, mangelnde Sicherheitsvorkehrungen, schlechte Beleuchtung - Mängel wie diese werden in Textilfabriken immer wieder festgestellt. Auch, weil Modelabels Produktions- und Arbeitsbedingungen ihrer Zulieferfirmen kontrollieren lassen, meist mit sogenannten Audits. Umweltschützer und Menschenrechtler halten diese Kontrollen jedoch oft für ungenügend. Sie kritisieren, Prüfer bekämen zu wenig zu sehen und zu hören, um sich ein realistisches Bild zu machen.

Im Juni 2012 etwa besuchte der TÜV Rheinland, einer der führenden Prüfdienstleister weltweit, eine Textilfabrik in Bangladesch. Er führte dort ein Sozialaudit durch, überprüfte den Standard für die Business Social Compliance Initiative (BSCI), eine der größten Unternehmensinitiativen. Zehn Monate später stürzte das Gebäude wegen erheblicher baulicher Mängel ein. 1135 Menschen starben und 2438 wurden verletzt. Hätte das verhindert werden können?

Prüfer kontrollieren nur das, wofür sie einen Auftrag haben. Das kann fatale Folgen haben

Nichtregierungsorganisationen wie der European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) legten eine OECD-Beschwerde gegen den TÜV Rheinland ein, mit der Begründung, die Prüfenden hätten "professionelle Prüfstandards außer Acht gelassen". Der TÜV Rheinland hält dagegen: "Eine Prüfung der Gebäudestatik war nicht Gegenstand des Sozialaudits, die Audits stehen in keinerlei Zusammenhang mit dem Unglück." Einigen können sich die verschiedenen Parteien bis heute nicht.

Die Frage bleibt: Wer soll, wer kann kontrollieren, dass Kleidung nicht auf Kosten von Menschenleben produziert wird?

Nach Ansicht der Kampagne für saubere Kleidung und Gewerkschaften wie Verdi macht das Unglück die Schwachstellen von Audits deutlich. Diese seien kaum geeignet, um prekäre Zustände vor Ort offenzulegen, kritisieren sie. Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierung blieben oft unentdeckt. Um Zeit zu sparen, werde zum Beispiel nur mit der Fabrikleitung gesprochen, statt mit den Mitarbeitern.

Der TÜV Rheinland widerspricht, Interviews mit Mitarbeitenden würden anonym und ohne Beteiligung der Unternehmensführung geführt. Er achtet nach eigenen Angaben auch darauf, dass unter den Auditoren Frauen sind. Die Erfahrung zeigt: Wenn es um sensible Themen wie sexuelle Belästigung geht, wollen sich Näherinnen nicht unbedingt einem fremden Mann anvertrauen.

Trotz der Kritik halten Experten Audits für wichtig. Wie solle man sonst mit begrenztem Zeitaufwand Kontrollen durchführen? In der Initiative Fair Wear Foundation werden auf der Basis von Audits Maßnahmen entwickelt, mit denen Mängel dann Schritt für Schritt behoben werden können. Ein Plan, um Missstände zu beseitigen, käme für den TÜV Rheinland jedoch nicht in Frage. Dies sei ganz klar eine Beratungsleistung - und damit ein "Fauxpas", so eine Sprecherin des Unternehmens. "Wer zertifiziert, der berät nicht", sagt sie. Verbesserungsvorschläge müssten schon von den Unternehmen selbst kommen.

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