Nachgeforscht:Ein besonderer Begriff

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(Foto: N/A)

Dass Ärzte ihren Patienten gelegentlich Mut zusprechen und auch der Mameluck einst angeblich Mut gezeigt haben soll, mag schön und nachahmenswert sein. Es sagt aber nichts über die Vielfalt dieses Wortes aus.

Von Hermann Unterstöger

Als bei uns im Städtchen das Krankenhaus noch kein Klinikum war, gab es dort einen Kuraten, der sein Hirten- und Trösteramt ausübte, indem er Tür für Tür kurz öffnete und ein aufbauendes "Nur Mut, nur Mut!" erschallen ließ. Wie das von den Patienten je und je verstanden wurde, bleibt offen. Aber die leichteren Fälle im "Rennfahrerzimmer" sollen nach diesem Zuruf besseren Gewissens als vorher rauchen gegangen sein.

Wollte man, so könnte man dem Kuraten vorwerfen, dass er den Mut als eine Art Breitbandantibiotikum ausgegeben habe (doch wer wollte das schon, der gute Mann ist längst tot). Sein Spruch zeigt aber heute noch, wie vielfältig Mut verstanden werden kann. Bei ihm hatte er den Sinn des nicht nur bei Ärzten beliebten Muntermacherspruchs "Wird schon wieder". Bei anderen steht er für die vage Gefühlslage, die der Schlager mit dem Satz "Mir ist so komisch zumute" meint, wobei sich der Mut hier, eigentlich untypisch für ihn, in das Adverb zumute verkriecht, als wisse er um die leicht dubiose Verwendung seiner selbst. Vollends unklar ist er für viele in dem geflügelten Wort "Mut zeiget auch der Mameluck", was daran liegen könnte, dass sie weder den Mamelucken kennen noch die Ballade, aus der er stammt.

In den meisten Wörterbüchern wird korrekterweise daran erinnert, dass man dem Mut unrecht täte, setzte man ihn mit der Tapferkeit gleich. Dass die beiden nah verwandt sind, liegt selbst für Hasenfüße auf der Hand, und mit gutem Grund haben die Theologen die Tapferkeit in den Rang einer Kardinaltugend erhoben. Der Unterschied ist derart schwer herauszuarbeiten, dass man versucht sein könnte, ihn in die spitzfindige These zu kleiden, dass ein Drachentöter höchst tapfer, ja waghalsig sein könne, ohne über echten Mut zu verfügen.

In Maurer/Rupps "Deutscher Wortgeschichte" wird als "das umfassendste Wort für das innere Leben" die Vokabel muat gleich Bewusstsein angeführt, mit der Bewertung, dass es die lateinischen Termini für inneres Leben, Denkkraft, Gefühl und Tatkraft ins Deutsche übersetze, also alle Gebiete des Seelenlebens einschließe und benenne. Das korrespondiert aufs Engste mit der Definition, die das "Deutsche Wörterbuch" der Brüder Grimm bietet. Bei ihnen bezeichnet Mut "das Innere eines Menschen nach allen seinen verschiedenen Seiten hin, aber stets auf dem deutlichen Grunde des bewegten Gefühlslebens, im Gegensatz zum bloßen Walten des Verstandes oder der Erinnerung".

Bei einer so breiten Basis verwundert es nicht, dass sich der Mut ohne Mühe mit den unterschiedlichsten, sein Wesen von Fall zu Fall näher charakterisierenden Adjektiven verbindet. Wir finden den freien Mut und den frommen, den edlen und den sanften, den stolzen und den törichten, nicht zu reden vom kleinen und vom falschen. Diesem Fundus verdankt das Deutsche die Fülle der Komposita, die vom Edel- und Sanftmut über den Wankel- und Unmut zum Hoch- und Übermut reicht und die den Hütern des korrekten Sprachgebrauchs die Freude gewährt, der Presse eins überzubraten, wenn sie "der" statt "die Langmut" schreibt, als handle es sich um einen sehr lang gezogenen Mut.

Bei Grimm trifft man auf altnordisch môđr gleich Erbitterung, mithin auf einen Mut, dem wir auch im neuen Jahr keine Rechte einräumen sollten. Wie sagt Schillers Räuber Schweizer? Er sagt, er habe Mut genug, "um barfuß mitten durch die Hölle zu gehn". Wenn nicht alles täuscht, hat er sich die Füße dabei gewaltig verbrannt.

© SZ vom 02.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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