Nach Vorschlag der SPD:Auch Merkel für höhere Löhne

Lesezeit: 2 min

Von der überraschend positiven Konjunktur sollen durch höhere Löhne auch die Beschäftigten profitieren. Man müsse für Branchen, in denen das Geschäft gut läuft, darüber nachdenken, so ein Merkel-Sprecher.

Nina Bovensiepen und Jens Schneider

In den vergangenen Jahren hielten sich führende Politiker aus der Diskussion über Tarifabschlüsse weitgehend heraus. Angesichts der guten Wirtschaftsdaten hatten sich jedoch in den vergangenen Tagen der SPD-Vorsitzende Kurt Beck und Vizekanzler Franz Müntefering für höhere Löhne starkgemacht.

Hier geht's lang: Auch Arbeitnehmer sollen von der guten Konjunkturlage profitieren, so die Kanzlerin. (Foto: Foto: dpa)

Am Montag erklärte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg zur Position der Kanzlerin: "Wenn es Branchen gibt, die einen richtigen Boom erleben, Betriebe gibt, die gesund und stark sind, dann muss man auch darüber nachdenken."

Es sei selbstverständlich, dass Arbeitnehmer an der Entwicklung teilhaben sollen, wenn es die ökonomische Substanz von Branchen und Betrieben hergebe. Bei allen Lösungen müsse aber Rücksicht auf schwache Firmen oder Wirtschaftszweige genommen werden. Steg verwies darauf, dass die Verantwortung für Lohnabschlüsse bei den Tarifpartnern liege. "Da sollte sich die Politik mit Empfehlungen zurückhalten", sagte er.

"Sache der Tarifparteien"

Merkel sei schon immer für mehr Flexibilität und Differenzierung nach Betrieben und Branchen eingetreten. Daher müsse man auch bei Tarifabschlüssen sehr genau prüfen, "wer kann so etwas verkraften und wer kann so etwas nicht verkraften."

SPD-Chef Beck betonte, dass er mit seinen Äußerungen nicht in die Tarifautonomie habe eingreifen wollen. Er habe nur auf eine volkswirtschaftlich vernünftige Lösung hingewiesen. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sagte, er glaube nicht, dass der Aufschwung durch höhere Löhne abgewürgt werde. "Die Leute müssen was in der Tasche haben, um auch die Wirtschaft ankurbeln zu können", betonte Heil.

Kritik an der Lohndebatte kam von Unionspolitikern und Arbeitgebervertretern. Der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) mahnte Zurückhaltung für die neuen Länder an. "Im Osten geht der Abbau von Arbeitslosigkeit vor Lohnsteigerungen", sagte Milbradt der Süddeutschen Zeitung.

CSU-Generalsekretär Markus Söder warnte: "Übertriebene Lohnforderungen nützen der Wirtschaft nichts." Eine angemessene Beteiligung der Mitarbeiter am Aufschwung sei gerecht, aber keine überzogene Forderung. "Deswegen rate ich zur Mäßigung", sagte Söder.

"Das ist Sache der Tarifparteien"

Gerald Weiß, Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe der Union im Bundestag, forderte die Politiker zur Zurückhaltung auf. "Die Politik soll sich gefälligst raushalten", sagte Weiß. "Das ist Sache der Tarifparteien."

Auch der Präsident des Bundesverbands der Arbeitgeber, Dieter Hundt, warnte vor "überzogenen Lohnforderungen". Es sei eine zentrale Aufgabe der Tarifparteien, den wirtschaftlichen Aufschwung zu unterstützen und Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern. "Die aktuell bessere konjunkturelle Entwicklung in Deutschland darf jetzt nicht durch überzogene Lohnerhöhungen gefährdet oder gar beendet werden", sagte Hundt.

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, warnte vor großen Lohnzuwächsen. Er sprach sich für die Zahlung von Gewinnprämien in erfolgreichen Betrieben aus. "Es ist richtig, Arbeitnehmer am wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen angemessen durch einmalige Gewinnprämien zu beteiligen", sagte er. "So halte ich es auch in meinem Unternehmen."

Prämien, die nur gezahlt würden, wenn wirklich Gewinne angefallen seien, würden die Firmen in Jahren mit schwächerer Auftragslage nicht unnötig belasten.

Rasche Entwicklung von Investivlohn-Modellen

Union und SPD wollen nun möglichst rasch Modelle für einen Investivlohn und eine stärkere Beteiligung der Mitarbeiter an Unternehmen ausloten. Ein Treffen der Kanzlerin mit Beck noch in diesem Jahr sei vorstellbar, sagte Regierungssprecher Steg.

In Union und SPD werden allerdings sehr unterschiedliche Ansätze für eine stärkere Arbeitnehmer-Beteiligung an Gewinn oder Kapital ihres Unternehmens debattiert. Zudem zeigen sich Wirtschaft, Ökonomen sowie Gewerkschaften skeptisch. IG-Metall-Chef Jürgen Peters nannte den Investivlohn einen "alten Ladenhüter". Arbeitnehmer müssten ein doppeltes Risiko tragen. "Neben dem Risiko des Arbeitsplatzverlustes käme jetzt auch ein Kapitalrisiko hinzu."

© SZ vom 05.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: