Nach den Anschlägen:Panikattacken an der Börse

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Die Explosionen in London haben an den Aktienmärkten zeitweise für starke Kursverluste gesorgt. Am Nachmittag beruhigte sich das Geschäft dann wieder etwas.

Von Daniela Kuhr und Helga Einecke

Am späten Nachmittag lag der Londoner Leitindex FTSE 100 nur noch mit 1,46 Prozent im Minus. Zuvor hatte er zeitweise knapp vier Prozent eingebüßt. Auch der deutsche Aktienindex, der vorübergehend 3,7 Prozent verloren hatte, notierte zuletzt nur noch um 1,7 Prozent schwächer bei 4537 Punkten.

Auch die New Yorker Börsen verzeichneten nur geringe Verluste. Händler sagten, die Anschläge hätten zunächst "böse Erinnerungen" an die Attentate vom 11. September 2001 in den USA sowie vom 11. März 2004 in Madrid geweckt. "Diese Geschichte schürt ganz klar die Terrorängste", sagte Frank Schallenberger, Aktienstratege bei der Landesbank Baden-Württemberg.

Leitzinsen unverändert

Am Rentenmarkt erreichte der Bund-Future zeitweise ein Allzeithoch von 124,06 Prozent. In politisch unsicheren Zeiten ziehen Anleger in der Regel die Staatsanleihen als vermeintlich sicheren Anlagehafen den Aktien vor.

Bundesfinanzminister Hans Eichel rief mit Blick auf die Finanzmärkte zur Besonnenheit auf. "Wir dürfen jetzt nicht durch falsches Handeln und durch panische Reaktionen dazu beitragen, dass die Situation aus dem Ruder gerät", sagte Eichel (SPD) am Donnerstag in Berlin. "Es wird deswegen nicht die Weltwirtschaft aus den Fugen geraten."

Solche Ausschläge an den Märkten wie derzeit seien nicht überraschend. Die Finanzminister stünden in Kontakt mit den Zentralbanken. Nach den Anschlägen in New York im September 2001 hatten Notenbanken die Leitzinsen gesenkt, um der verunsicherten Wirtschaft einen Impuls zu geben.

Die britische Notenbank und die Europäische Zentralbank ((EZB) reagierten am Donnerstag anders: Beide ließen auf ihren turnusmäßigen Sitzungen die Leitzinsen unverändert, die Bank of England mitten im Londoner Zentrum bei 4,75 Prozent und die EZB in Frankfurt bei zwei Prozent.

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet erklärte am Nachmittag, er stehe in engem Kontakt mit seinen Kollegen Mervin King in London und Alan Greenspanin den USA. Die Notenbanken würden die Märkte, die Zahlungssysteme und die gesamte Infrastruktur aufmerksam beobachten. Die Bombenanschläge hatten keine Auswirkung auf das Funktionieren der Systeme gehabt.

Deshalb sei die EZB wachsam, beobachte die Szene und behalte die Ruhe, sagte Trichet. Mehr als sonst gelte es, das Vertrauen aufrecht zu erhalten. Sollte sich die Lage ändern, seien die Zentralbanken jederzeit bereit einzugreifen, so wie dies nach dem 11. September 2001 war. Der Rat der EZB habe eine Schweigeminute für die betroffenen Menschen in Großbritannien eingelegt und sein Beileid in London bekundet.

In Bezug auf die Leitzinsen in Europa meinte Trichet, er wolle keine Hinweise auf die künftige Richtung geben. Er nehme eine "wait-and-see"-Haltung ein. Anlass zur Sorge würden die Ölpreise geben, ebensowie höhere Steuern, die nicht nur in Deutschland zur Diskussion stünden.

Papiere von Tourismuskonzernen besonders betroffen

Am Aktienmarkt zählten am Donnerstag die Versicherungswerte und die Paiere aus der Touristikbranche zu den größten Verlierern. So fielen TUI-Papiere zeitweise um acht Prozent und die Titel der Lufthansa mehr als fünf Prozent. "Die Angst vor Anschlägen belastet die Papiere von Fluggesellschaften und Tourismuskonzernen immer besonders stark", sagte ein Händler.

Europas größter Touristikkonzern TUI rechnet nach den Explosionen in London aber nicht mit negativen Auswirkungen auf das Reisegeschäft, die Aktien erholten sich denn noch im Verlauf. Unter Druck standen auch die Papiere der Versicherer, befürchten die Anleger doch erhebliche Ergebnisbelastungen bei etwaige Schadenszahlungen.

Die Titel der Münchner Rück lagen zuletzt noch 2,73 Prozent im Minus, die der Allianz mit 3,02 Prozent. Die Münchener Rück teilte mit, nicht von der Explosionsserie in London betroffen zu sein.

Auch am Ölmarkt lösten die Anschläge zeitweise Panik aus. Die führende Nordsee-Ölsorte Brent, die am Morgen noch ein Rekordhoch erreicht hatte, verbilligte sich nach den Explosionen um rund fünf Dollar auf 55,55 Dollar, und der Preis für amerikanisches Leichtöl ging um knapp vier Dollar auf 57,20 Dollar zurück.

Hintergrund seien Befürchtungen über negative Auswirkungen auf die Volkswirtschaften, hieß es. Am späten Nachmittag zogen die Kurse jedoch wieder etwas an.

An den Devisenmärkten geriet das Pfund Sterling ebenfalls vorübergehend unter massiven Druck und lag kurzzeitig bei nurmehr 1,4509 Euro, dem tiefsten Stand seit Mai.

Zum Dollar fiel die britische Währung sogar auf ein 19-Monats-Tief. Der Euro dagegen zog zunächst deutlich an, bröckelte dann aber wieder ab. In der Spitze stieg die Gemeinschaftswährung auf 1,2040 Dollar, nachdem sie am Vortag 1,1929 Dollar gekostet hatte.

© SZ vom 08.07.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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