Nach dem Aus für die Cebit:Das Ende vom Allerlei

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Das waren die Achtzigerjahre: Bundeswirtschaftsminister Martin Bangemann und die ehemalige Miss World Petra Schürmann 1986 auf der Cebit mit dem kleinen sprechenden Roboter Robby. (Foto: Holger Hollemann/dpa)

Viele Traditionsmessen sind in Deutschland weiterhin erfolgreich, aber sie müssen sich wandeln. Der Trend geht zu großen Festivals und Veranstaltungen, die sich nur einem Thema widmen.

Von Katharina Kutsche, München

Seit rund einer Woche ist die deutsche Messewelt um ein paar Veranstaltungen ärmer. Zuerst wurde die IT-Schau Cebit in Hannover abgesagt, einen Tag später hieß es, auch die Modemesse Bread & Butter werde eingestellt. Und jetzt teilte die Koelnmesse mit, die weltgrößte Fotomesse Photokina werde erst ab 2020 jährlich stattfinden, nicht wie angekündigt ab 2018. Alles Einzelfälle, oder rumpelt es in der Messebranche?

Weltweit ziehen 31 000 Messen jedes Jahr rund 4,4 Millionen Aussteller und 260 Millionen Besucher an. Deutsche Veranstalter organisieren rund ein Zehntel davon. Doch für viele Unternehmen sind diese Schauen nicht mehr so attraktiv wie früher. Es reicht nicht mehr, Einkäufern und Vertrieblern neue Produkte zum Anfassen und Ausprobieren zu zeigen. Wichtiger ist, sich dem Kunden auf einer coolen Veranstaltung als moderner Partner in allen Lebenslagen zu präsentieren. Statt der klassischen Messen gibt es deshalb zunehmend Festivals mit Bühnenprogramm und ein bisschen Ausstellungsfläche am Rande, die viel Publikum locken - und entsprechend auch die Medien.

Daraus lassen sich zwei Schlüsse ziehen: Die Messe an sich ist nicht tot. Aber sie hat Konkurrenz bekommen - sich vernetzen geht heute auch anders.

Nikolas Woischnik organisiert in Berlin das Tech Open Air (TOA), ein mehrtägiges Event für Start-ups und Unternehmen, das Technologie, Musik, Kunst und Wissenschaft verbindet und 20 000 Besucher anzieht. Er sagt, gerade die nach 1980 Geborenen wollen einfach etwas anderes sehen: "Früher ging es auf Messen nur um Transaktionen, heute steht mehr und mehr das Erlebnis im Vordergrund." Junge Menschen möchten spüren, was Technologien für ihr Leben bedeuten. Und sie möchten sich dazu mit anderen austauschen. Für die etablierten Unternehmen liegt der Mehrwert im Kontakt zu den Start-ups und in der Markenbildung.

Als Veranstalter gibt Woischnik Firmen, die auf dem TOA ausstellen wollen, drei Tipps. Erstens: Wirkt möglichst kreativ und human. Dazu gehöre, seinen Stand aus Holz oder anderen Naturmaterialien zu bauen - junge Leute achten auf Nachhaltiges. Zweitens: Bietet Interaktives zum Anfassen. Drittens: Überlegt, wie ihr euch als Plattform präsentieren könnt - warum nur sich selbst zeigen? Google etwa habe beim TOA 2018 eine eigene Bühne bespielt, zusätzlich zu den neun Bühnen, die die Veranstalter ohnehin schon im Programm hatten. Das habe dennoch funktioniert, so Woischnik, die Besucher wollten sehen, welche Themen der Suchmaschinen-Betreiber dort setzt.

Die Hälfte des Geldes, das Firmen für die Kontaktpflege investieren, fließt in Messen

Fast die Hälfte des Geldes, das deutsche Firmen für die Pflege ihrer Geschäftsbeziehungen investieren, geben sie für Messen aus. Dabei innovativ zu bleiben, ist aber nicht so einfach. Das zeigt das Beispiel der Photokina, Leitmesse für Fotografie, die seit 1966 zweijährlich in Köln stattfindet. Nun sollte sie in einen jährlichen Rhythmus wechseln. Doch bei den Veranstaltern heißt es, gerade der jüngste große Erfolg der Messe mit 180 000 Besuchern spreche dagegen. Man habe so die Messlatte selbst sehr hoch gelegt: "Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass wir im Mai 2019 nach nur gut sieben Monaten wieder eine so begeisternde Stimmung erzeugen können."

Je mehr Veranstalter Konzerte und Talkshows bieten, desto mehr entfernen sie sich von einer klassischen Messe. Der Begriff ist in Deutschland, wenig überraschend, sogar gesetzlich definiert: Viele Aussteller zeigen "das wesentliche Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige". Das traf auf die Cebit zu. Seit 1986 bot sie jedes Jahr den großen Überblick über allerlei Innovatives aus der Tech- und Digitalbranche. Als die Leitmesse an Bedeutung verlor, reagierte die Deutsche Messe AG als Veranstalter zu spät. Die neue Cebit, im Sommer 2018 umgesetzt, wollte ein Festival sein, mehr Shows, mehr Bühnengespräche. Das hat nicht überzeugt, zumal es solche Events längst (und besser) gibt, im texanischen Austin etwa bei der South by Southwest (SXSW). Dazu kommt, dass große Unternehmen zunehmend Hausmessen veranstalten, um sich, und nur sich, präsentieren zu können. Dass der Begriff Messe, siehe Definition, in diesem Fall verfehlt ist, ändert nichts an der Wirkung.

Der Erfolg hängt meist vom Zuschnitt einer Veranstaltung ab. Hausmessen kommen wieder

Beim Verband der deutschen Messewirtschaft (Auma) ist man sich sicher, dass die Grundidee einer Messe immer noch trägt: Kunden können Produkte in die Hand nehmen, vergleichen, darüber sprechen. Der Bedarf sei ungebrochen, die Zahl der Aussteller wachse, sagt Auma-Sprecher Harald Kötter. Hausmessen mögen sinnvoll sein, um Kunden zu binden, "aber es führt in der Regel nicht dazu, dass man neue Kunden gewinnt", so Kötter. Außerdem sei es aufwendig für die Besucher: Sollen sie zu jedem Unternehmensevent fahren, wenn es doch viel einfacher wäre, alles an einem Ort zu sehen?

Doch gerade der thematische Zuschnitt ist schwierig, auch das zeigt das Ende der Cebit. Sie war breit aufgestellt in einer Branche, die nicht mehr allein für sich steht. "Die Digitalisierung ist in vielen Wirtschaftszweigen der treibende Faktor - also haben alle relevanten Fachmessen sie längst in ihr Programm integriert", sagt Kötter. Hinzu kommt: Die riesigen Ausstellungsflächen in den deutschen Messestädten entsprechen oft nicht mehr den Anforderungen. Die Messehallen sind zum Teil veraltet, werden derzeit für viele Millionen saniert. Aber auf die Größe kommt es zukünftig vielleicht nicht mehr an. Zum einen muss sich nicht alles auf dem Gelände abspielen. Woischnik etwa bietet während dem TOA Satellitenevents in der ganzen Stadt, abseits vom eigentlichen Festival. Diese organisieren die Start-ups selbst, so können sie ein größeres Publikum einbinden. "Die Frage muss sein: Wie weit kann ich anderen ermöglichen, dem Event ihren Stempel aufzudrücken?"

Zum anderen geht der Trend, neben den Festivals, zu kleineren Fachmessen, eng auf ein Thema zugespitzt. Das stellt sich etwa die Deutsche Messe AG in Hannover als Ersatz für die Cebit vor. Auch beim Branchenverband Auma ist man zuversichtlich, dass weitere, andere Veranstaltungen entstehen werden. Wenn sich in einer Branche heute ein neuer Produktionsschwerpunkt herausbildet, kann er Inhalt einer Messe sein. Die 3-D-Druck-Messe Formnext in Frankfurt zum Beispiel kam 2018 auf 27 000 Besucher und 632 Aussteller - nur vier Jahre nach ihrer Gründung.

© SZ vom 07.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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