Munich Re:Sensoren in der Kirche

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Der Rückversicherer setzt auf moderne Technik in Industrie, Kirchen oder Windkraftanlagen. Der Konzern muss nach Alternativen für sein bisheriges Geschäftsmodell suchen und findet dabei neue Partner - wie etwa Bosch.

Von Herbert Fromme, Frida Preuß

Paul Carlotto ist Kirchenvorstand in der Methodistengemeinde First United Methodist Church in der Kleinstadt Andover in Massachusetts. 2010 erlebte seine Gemeinde eine kleine Katastrophe, die zur Schließung der Kirche für ein halbes Jahr führte. Die Hauptleitung für das Sprinklersystem in der Kirche und dem Gemeindehaus war gebrochen und pumpte über fünf Stunden Wasser in die Gebäude.

"Damals hätten wir mit Sensoren Schäden für rund 350 000 Dollar in unserer Kirche verhindern können, wenn wir sie denn gehabt hätten", berichtet Carlotto rückblickend im Fachblatt "Church Executive". Carlotto ist Fan eines neuen Programms, das der Versicherer Church Mutual mit der Munich Re-Tochter Hartford Steam Boiler aufgelegt hat: In Kirchen werden Sensoren eingesetzt, die Feuchtigkeit, Lecks und Heizungsausfälle melden. "Bislang wurden in 5 700 von 10 000 vorgesehenen Kirchen die Sensoren angebracht", sagt Torsten Jeworrek, Vorstand der Munich Re.

Sensoren spielen in der Zukunftsplanung des weltgrößten Rückversicherers eine wichtige Rolle. So kam es im April zu dem seltenen Bild, auf dem der Elektronikkonzern Bosch zusammen mit dem Rückversicherer auf der Hannover Messe zu sehen war. "Die Sensorik und die künstliche Intelligenz werden dazu führen, dass die klassische Versicherung in Teilbereichen austrocknet", sagt Jeworrek. Weil Schäden vorhersehbar sind und deshalb verhindert werden können, brauchen Industriebetriebe weniger Versicherung.

Das trifft das traditionelle Geschäftsmodell der Munich Re hart. Aber die Gesellschaft arbeitet intensiv an Alternativen. Das Risikomanagement mit Hilfe von Sensoren gehört dazu - ob in Maschinen, Windrädern, Kirchen oder anderen großen Gebäuden.

"Bosch ist nicht unser einziger Partner, wir sprechen auch mit weiteren Unternehmen in anderen Branchen, die aber nicht mit Bosch im Wettbewerb stehen", sagt Jeworrek. Sensoren werden in Maschinen eingebaut, die in der industriellen Fertigung eingesetzt werden. Sie erkennen früh, wenn eine Maschine einen Fehler macht. Dann wird ein Teil oder die ganze Maschine ausgetauscht. Munich Re muss zahlen, falls doch etwas schiefgeht, und sammelt Expertise aus den Schäden der Vergangenheit.

Noch weitergehend ist die Kooperation, wenn Maschinen nicht verkauft, sondern vermietet werden. "Equipment as a Service" heißt das. Das Prinzip: "Ein Hersteller fertigt Maschinen und sagt dabei eine bestimmte Leistung zu", erklärt Jeworrek. "Der Kunde zahlt anstelle des Maschinenpreises für die Nutzung beziehungsweise den Output der Maschine." Munich Re gibt dem Investor finanzielle Garantien für die Ausfallsicherheit der Geräte.

Munich Re erhält einen Teil der Gebühren, die der Nutzer für die Maschinen zahlt. Dies ist eine ganz andere Einnahmequelle als eine Versicherungsprämie. "Wir nennen es nicht Versicherung, wir nennen es ein technologisches Servicemodell", sagt Jeworrek. Die Gebühreneinnahmen seien tendenziell risikoreicher, aber auch gewinnhaltiger als Versicherungsprämien.

Wie groß ist das Risiko, dass die Experten beim Aufsetzen des Algorithmus Fehler machen, die mittel- und langfristig sehr teuer werden können? "Natürlich ist so etwas nicht ganz auszuschließen", sagt Jeworrek. "Aber die Algorithmen sind selbstlernend, sie verarbeiten die Schäden." Das heißt, die Vorhersagen werden immer genauer, wann ein Teil oder eine Maschine ausgewechselt werden muss.

© SZ vom 02.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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