Munich Re:Ein Vordenker tritt ab

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Ein letztes Mal im Mittelpunkt: Nach 13 Jahren als Konzernchef tritt Nikolaus von Bomhard ab und verabschiedet sich in den Ruhestand. (Foto: Michaela Rehle/Reuters)

Der Chef der Rückversicherung geht im April in Ruhestand. Sein Unternehmen hat zuletzt weniger Geld verdient, doch Nikolaus von Bomhard hat auch einiges geleistet.

Von Herbert Fromme, München

Der Mann hat in 13 Jahren an der Spitze der Munich Re nichts von seinem Selbstbewusstsein verloren. "Wenn ich rausgehe, gehe ich aufrecht", sagt Nikolaus von Bomhard bei der letzten Pressekonferenz seines Unternehmens, die er leitet. Mit der Hauptversammlung am 26. April geht von Bomhard in den Ruhestand, Nachfolger Joachim Wenning kommt aus dem eigenen Haus. Die Chancen, dass er nach der vorgeschriebenen Wartezeit von zwei Jahren 2019 als Aufsichtsratschef wiederkommt, stehen bei "knapp über 50 Prozent", sagt von Bomhard.

Bei seinem letzten Auftritt muss der Noch-Konzernchef verkünden, dass die Munich Re 2017 wahrscheinlich schon wieder weniger verdienen wird. Das wäre das vierte Jahr in Folge. Das Management rechnet mit einer Zahl zwischen zwei und 2,4 Milliarden Euro. 2016 hat der weltgrößte Rückversicherer noch 2,6 Milliarden Euro verdient. Aber das waren auch schon 527 Millionen Euro weniger als 2015.

Die Aktie reagiert dennoch kaum, sie fiel nur um etwa ein Prozent. Offenbar nehmen die Anleger von Bomhard die Nachricht nicht allzu übel. Dazu trägt das Versprechen bei, bis 2018 eine weitere Milliarde für Aktienrückkäufe zu verwenden und so den Kurs zu stützen. Vor allem aber wissen viele Anleger, dass der Konzern heute viel besser dasteht als man erwarten könnte. Seit Jahren fallen die Preise in der Rückversicherung, und die Zinsen sowieso. Beides ist Gift für Munich Re - aber die Gruppe ist in einem guten Zustand. "Ich hatte gehofft, dass ich eines noch erlebe im Job: steigende Zinsen", sagt von Bomhard. "Das ist mir nicht gelungen."

Der drahtige Intellektuelle bewegt sich perfekt an der dünnen Grenze von - manchmal gut gespielter - Bescheidenheit und leiser Überheblichkeit. Er ist im Konzern beliebt, er gilt als höflich, verbindlich und verlässlich. Seine Kollegen in der Branche verehren ihn - er war über zehn Jahre ihr Vordenker, hat im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft und in internationalen Gremien klug diskutiert. Auch die Bundeskanzlerin und andere Politiker hören zu, wenn er spricht.

Seine stärkste Leistung besteht darin, dass es die Munich Re überhaupt noch gibt. Anfang 2004, als er das Ruder übernimmt, ist das keineswegs sicher. Der Konzern hat sich mit Aktieninvestitionen verhoben, vor allem dem hohen Anteil an der Hypo-Vereinsbank. Von 391 Euro im November 2000 fällt die Aktie der Munich Re auf unter 70 Euro. Standard & Poor's senkt das Rating. Die Anleger müssen mehrfach mit Milliardenbeträgen für Kapitalerhöhungen zur Kasse gebeten werden.

Mit Mühe können von Bomhard und Finanzchef Jörg Schneider das schlingernde Schiff stabilisieren. Sie reduzieren die Risiken in den Kapitalanlagen drastisch - und zwar so erfolgreich, dass Munich Re die nächste Finanzkrise 2007 und 2008 fast problemlos übersteht, ebenso wie die Niedrigzinsphase und die sinkenden Preise der jüngsten Vergangenheit.

Was positiv nachwirkt, sind die zahlreichen digitalen Initiativen, die er angestoßen hat

Diese Leistung ist mehr wert als die zweifellos vorhandenen Fehlschläge, die von Bomhard selbst einräumt. "Ich gebe zu, dass mir das, was ich mir vor 13, 14 Jahren vorgenommen habe, nicht alles gelungen ist", sagt der Jurist.

Bei der Düsseldorfer Tochter Ergo habe er nicht früh und konsequent genug auf der Integration der verschiedenen Unternehmensteile bestanden, sagt er. 18 Jahre versuchen verschiedene Managergenerationen in München und Düsseldorf, den angeschlagenen Versicherer wettbewerbsfähig zu machen. Erst 2015 zieht von Bomhard die Notbremse und holt mit dem früheren Allianz-Deutschlandchef Markus Rieß einen Sanierer. Rieß verlangt zwei Milliarden Euro für die Sanierung und einen Vorstandsposten in München. Beides muss von Bomhard ihm zugestehen, dem Vorgänger Torsten Oletzky hatte er Posten und Finanzmittel stets verwehrt. Von Bomhard spricht nicht über den Ergo-Skandal, die Sex-Reise von Vertretern nach Budapest, die 2011 bekannt wird. Damals findet er nicht die Kraft, sich durch einen klaren Schnitt - beispielsweise der Schließung der Ergo-eigenen, skandalbelasteten Vertriebstruppe HMI - von den Altlasten zu befreien. Sein größter Fehler begleitet ihn durch seine gesamte Amtszeit. Schon 2003 sagt von Bomhard in einem Interview, dass die deutsche Lebensversicherung mit einem dauerhaft garantierten Zinssatz wirtschaftlich für Anbieter nicht tragbar ist. Aber erst zwölf Jahre später nimmt die Tochter Ergo solche Policen aus dem Programm. Beides steht zweifellos auf der Negativseite der Bilanz von 13 Jahren Führung. Was hingegen positiv nachwirkt, sind die große Umstrukturierung des Jahres 2007 und die zahlreichen digitalen Initiativen, die von Bomhard in den vergangenen beiden Jahren angestoßen hat. Inzwischen hat der Konzern nicht nur in der Versicherungsbranche, sondern auch bei Technologieunternehmen und Start-ups einen guten Ruf als weit vorausdenkendes Unternehmen. Das bedauert er vor allem an seinem Weggang, sagt er, dass er nicht mehr direkt mitbekommt, wie es mit den Digitalisierungsprojekten weitergeht. "Da wäre ich doch gern mit dabei, wenn das Früchte trägt", sagt er. "Das nur über den Zaun beobachten zu können, ist schon bitter."

© SZ vom 16.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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