Münchner Seminare:"Machen Sie die Zahl größer!"

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Die USA stehen nicht mehr so gut da wie früher, meint Robert B. Koopman, Chefökonom der WTO. (Foto: imago)

Robert Koopman, Chefökonom der Welthandelsorganisation, über wirtschaftliche Entwicklungen, Donald Trump und China.

Von Franziska Augstein, München

Robert Koopmans Vater besaß drei Restaurants. Serviert wurde fleischlastige, heimische, also amerikanische Küche. "Mit acht habe ich gekellnert", sagt Koopman, "mit 14 habe ich eine Schicht geleitet, mit 16 ein Restaurant." Dann studierte er. Seine praktische Erfahrung ist dem Chefökonomen der Welthandelsorganisation (WTO) bis heute nützlich. So glaubt er nicht anstandslos, was in offiziellen Papieren steht - die Steuerbescheide seines Vaters hätten die wahren Einkünfte der Restaurants auch nicht unbedingt wiedergegeben.

Zu Gast beim "Münchner Seminar", der vom Ifo-Institut und der SZ gemeinsam veranstalteten Vortragsreihe, erweist Koopman sich als exzellenter Fürsprecher der WTO. Mit Tabellen, von denen einige an Aufkommen von Linien und Punkten manches Wilde in den Schatten stellen, was abstrakte Kunst zu bieten hat, belegt er seine Grundthese: Handel nütze jedem Land; er nähre das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Umgekehrt hingegen gelte diese Faustregel nicht. Das BIP kann schließlich auch durch Inlandskonsum gesteigert werden. Woran liege es, wenn lateinamerikanische Länder seit Jahren immer besser stünden, wenn die weltweite Armut statistisch enorm abgenommen habe? Am internationalen Handel.

Zu Koopmans Aufgaben gehört es, Politikern zu sagen, "was sie nicht hören wollen". Wenn die Arbeitslosigkeit sinkt, wenn das BIP steigt, dann will ein jeder sich das als eigenes Verdienst anrechnen. Im Hinblick auf Handelsabkommen wollten amerikanische Politiker Folgendes wissen: "Welchen positiven rechnerischen Effekt hat das?" Dem folge die Aufforderung: "Machen Sie die Zahl größer!" Bei Koopman und seinen Rechercheuren sind Politiker da aber an die Falschen geraten. Die WTO hat Untersuchungen angestellt: Wie entwickelt sich eine Wirtschaft, wenn politisch nichts gemacht wird; wie entwickelt sie sich, wenn Veränderungen anberaumt werden? Das Ergebnis war vorhersehbar, ist aber für Politiker enttäuschend: Madam und Mister Quick können binnen einer Legislaturperiode wenig einrichten - und, meistens, auch wenig anrichten. Wichtig seien, so Koopman, langfristige Effizienz und Produktivität. Investitionen wirkten schneller als politische Maßnahmen zugunsten wirtschaftlicher Liberalisierung.

Aus Sicht der WTO stehen die USA nicht mehr so gut da wie früher. Zu Beginn der 80er-Jahre waren sie mit ihren Handelsbeziehungen ganz vorn. Seither ist der Anteil industriell produzierter Produkte am BIP der USA enorm gesunken. Und seither haben viele andere Länder Industrien aufgebaut, deren Produkte international gefragt sind. "Meine Befürchtung ist", so sagt Koopman, "die jetzige US-Regierung glaubt, sie befinde sich in den 80er-Jahren." So erklärt er Trumps "America First"-Politik und die Invektiven gegen Handelsabkommen. Er hofft, das alles sei bisher bloß "rhetorics". Damit meint er nicht hochstehende "Rhetorik", sondern das deutsche "Gerede". Bevor es zu Maßnahmen vonseiten der USA komme, werde schon zunehmend hitziges Gerede schlechte Folgen für die Weltwirtschaft haben. Mehr darf er nicht sagen, in die Politik einzelner Staaten darf er sich nicht kommentierend einmischen.

Vor einigen Jahren hat China in Absprache mit der Weltbank einen ehrgeizigen Plan entwickelt: Wie soll China 2035 aussehen? Wenn es einen Staat gebe, der so einen Plan umsetzen könne, meint Koopman, dann dieser. Gleichwohl - oder eben deshalb - sieht er das Land nicht als Gefahr für das Gleichgewicht des weltweiten Handels: Den Plänen der chinesischen Führung zufolge soll der heimische Konsum weiterhin wachsen. Wo Konsum, da viele Importe. Das ist die Kurzformel, auf die es Koopman bringt.

Clemens Fuest, der Leiter des Ifo-Instituts, fragt ihn, ob er nicht eine Gefahr darin sehe, wenn auswärtige Unternehmen - wie der Roboterbauer Kuka - sich selbst und damit all ihr einmaliges Know-how an China verkaufen. Bringe das nicht eine Unwucht in die Welt? Koopman ist nun ganz WTO-Repräsentant. Er weiß sehr wohl, dass China sich an das Reglement der WTO hält, ihren Geist indes unterläuft; er weiß auch, dass es das ist, worauf Fuest anspielt. Das sagt er aber nicht, sondern: Gegen solche legalen Verkäufe dürfe ein Staat nichts unternehmen, denn dann könne ja jeder kommen; womöglich werde die EU ihre Agrarwirtschaft protektionieren wollen; und so etwas könne die WTO nicht gutheißen. Um deutlich zu machen, dass er jetzt diplomatisch spricht, fügt er an: "Habe ich mich unklar genug ausgedrückt?"

© SZ vom 02.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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