Münchner Seminare:Digitalsteuer für alle

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Finanzwissenschaftler Johannes Becker kritisiert das Konzept der EU-Kommission zur Besteuerung von Internetkonzernen. Er schlägt vor, die Steuer auf Basis von Daten zu erheben, die Konsumenten auf den Firmenseiten hinterlassen.

Von Franziska Augstein, München

Die Internetbranche erzeugt unglaubliche Gewinne. Facebook, Google und Co. verdienen Milliarden - und zahlen kaum Steuern. Die EU-Kommission hat eine Digitalsteuer vorgeschlagen, die dort erhoben werden solle, wo die Nutzung anfällt. Am 21. Januar hielt Johannes Becker, Direktor am Institut für Finanzwissenschaft der Universität Münster, am Ifo-Institut einen Vortrag, in dem er die Vorstellungen der Kommission zunichte machte.

Becker sagte, wenn schon Digitalsteuer, dann für alle. Viele Autos zum Beispiel seien mittlerweile komplett durchdigitalisiert - mit einer Digitalsteuer, wie die EU-Kommission sie sich vorstelle, müssten Mercedes-Autos, die nach Indien exportiert wurden, besteuert werden. Windräder, die Wetter-Apps liefern, müssten besteuert werden. Würde die Idee von der Europäischen Kommission umgesetzt, würde ein Unternehmen wie Daimler seinen Hauptsitz "auf die Bermudas" verlegen und dann in Deutschland gar nichts mehr zahlen.

"Die größten Steueroasen sind Nachbarstaaten Deutschlands."

Die Vereinigten Staaten von Amerika, wo Facebook und Google sitzen, würden so etwas gar als illegitimen Eingriff ins freie Handelsgeschehen auffassen. Davon abgesehen, hätten die amerikanischen Digitalunternehmen sich längst schon ein europäisches Zuhause in den Niederlanden und in Irland gesucht, wo sie wegen netter Konditionen nur sehr wenig Steuern zahlen müssten. "Die größten Steueroasen" für Google, so Becker, "sind Nachbarstaaten Deutschlands." Becker sagte es nicht so, meinte aber: Viel Spaß bei dem aussichtslosen Versuch, diesen Ländern neue Ideen in Sachen Steuererhebung einzuflüstern.

Becker präsentierte also eine andere Idee, die er zusammen mit Kollegen in Münster entwickelt hat. Facebook und Google sind auf messbare Weise unter anderem lukrativ, weil Werbung geschaltet wird. Die Werbung wird von den Konsumenten mehr oder minder freiwillig wahrgenommen. Deshalb müsse man das Verhalten der Konsumenten erfassen: Auf dieser Basis könne man dann die Unternehmen besteuern.

Aus dem Publikum kam anschließend die Frage, ob das nicht nach Ausspähen rieche: Die größte Institution, die Daten von Konsumenten erfolgreich erfasse, sei bekanntlich die amerikanische NSA - sollten deren Ausspähtechniken nun zur Grundlage der Steuererhebung in Europa gemacht werden? Ach, meinte Becker, die betroffenen Unternehmen müssten schon mitwirken und die Daten ihrer Kunden sammeln. Nicht jeder Zuhörer war von Beckers Vorschlag ganz und gar angetan.

© SZ vom 29.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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