Morgan Motor:Nobelhobel

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Fahrer und Fans treffen sich zu einem Morgan-Festival im englischen Cheltenham. Die schrägen Nostalgie-Flitzer genießen Kultstatus. (Foto: Getty Images)

Die britische Firma fertigt edle Sportwagen mit Holzrahmen. Sie gehört einer Familie, die nun die Mehrheit an einen Finanzinvestor verkauft - um die Zukunft zu sichern.

Von Björn Finke, London

England ist das Land der kleinen, aber feinen Sportwagen-Hersteller. Es gibt Aston Martin, die Lieblingsautomarke des Geheimagenten James Bond. Es gibt McLaren und Lotus. Und es gibt Morgan Motor, den wohl exzentrischsten Fabrikanten teurer Flitzer. Die Zweisitzer sehen aus wie Oldtimer, doch unter der Karosserie stecken moderne Technik und starke Motoren, die von Partnern wie BMW geliefert werden. Besonders skurril sind die Dreiräder, eine Mischung aus Rennwagen und Motorrad mit vorne zwei und hinten einem Rad. Henry F. S. Morgan gründete die Firma 1909, und sie gehört allein seinen Nachfahren - es ist einer der wenigen Autobauer in Familienbesitz. Noch, denn im April wird sich das ändern.

Das Unternehmen aus der Kleinstadt Malvern im hügelig-lieblichen Westen Englands gab nun völlig überraschend bekannt, dass die Familie bis kommenden Monat die Mehrheit der Anteile an den italienischen Finanzinvestor Investindustrial verkaufen wird. Ein Preis wurde nicht genannt. Die Familie soll Minderheitseigner bleiben, auch Management und Mitarbeiter sollen Anteile erhalten.

Das Vereinigte Königreich verliert eine weitere stolze Automarke an Ausländer

Damit verliert das Vereinigte Königreich eine weitere stolze Automarke an Ausländer. Bentley gehört Volkswagen, Rolls-Royce und Mini sind Teil des BMW-Reichs, und Jaguar Land Rover ist eine Tochter des indischen Tata-Konzerns. Die Sportwagenmarke Lotus und LEVC, der Hersteller der berühmten schwarzen Londoner Taxen, werden von Geely aus China geführt. Mehrheitseigner von McLaren wiederum ist ein Staatsfonds aus Bahrain. Einzig Aston Martin Lagonda ist seit dem Börsengang im Oktober ein unabhängiger britischer Autoproduzent.

Investindustrial, Morgan Motors neuer Besitzer, ist ebenfalls an Aston Martin beteiligt, seit 2012. Im Jahr 2017 erzielte der lange kriselnde Sportwagenbauer nach sechs Jahren in Folge mit Verlusten wieder Gewinn - die Zeit war reif für einen Börsengang. Der Schritt aufs Parkett im vorigen Herbst stellte ein glänzendes Geschäft für Investindustrial dar, denn der Fonds konnte einige seiner Anteile versilbern. Den Aktionären bereitet Aston Martin Lagonda seit dem Börsengang hingegen wenig Freude; der Kurs sank um mehr als ein Drittel.

Ob Morgan Motor irgendwann an die Börse gehen soll, verraten Investindustrial und die Gründerfamilie nicht. Die Italiener teilen aber mit, die Produktion verdoppeln zu wollen. Auch Aston Martin hat unter der Ägide der Finanzinvestoren die Zahl der Modelle und verkauften Fahrzeuge deutlich gesteigert. Dominic Riley, der Aufsichtsratschef der Morgan Motor Company, sagt, der neue finanzkräftige Eigner ermögliche "erhebliche Investitionen", etwa in Vertrieb und Marketing. Außerdem sollten die Fertigung verbessert und weitere Modelle entwickelt werden.

Eine zweite Fabrik ist allerdings nicht geplant. Bislang werden am Rande von Malvern in flachen Hallen aus rotem Sandstein jährlich 750 drei- oder vierrädrige Flitzer in Handarbeit hergestellt. Fließbänder gibt es nicht. Stattdessen werkeln Monteure manchmal über Stunden an einer Karosserie, bis das Autogerippe von Hand zur nächsten Station geschoben wird. Eine weitere Besonderheit ist, dass die Fahrzeuge einen Rahmen aus Holz haben - genauer: aus Eschenholz. An dem Rahmen wird außen die Aluminiumkarosserie befestigt und innen das Leder, das die Modelle auskleidet. Das Unternehmen hat seit jeher seine Metallkarosserien mit Holz verstärkt und bleibt diesem Erbe treu.

Geändert hat sich allerdings die Herkunft des Holzes. Früher kam es aus Belgien, aber die Schreiner der Autofabrik klagten, dass in zu vielen Stämmen Patronen steckten - Hinterlassenschaft von Schlachten zweier Weltkriege. Jetzt kauft die Firma bleifreies Holz aus dem Norden Englands. Eine größere Herausforderung ist die Umstellung auf Elektromotoren. Der Traditionsbetrieb will sich dem politisch gewollten Vormarsch der grünen Summer nicht verschließen und in Zukunft auch Modelle mit reinem Elektro- oder mit Hybridantrieb anbieten. Da hilft das Geld eines großen Investors. Im vergangenen Jahr setzte das Unternehmen mit 200 Beschäftigten 40 Millionen Euro um, von denen ein knappes Zehntel als Gewinn hängen blieb. Günstigstes Fahrzeug ist das Modell Morgan 4/4, das seit 1936 existiert und damit weltweit das älteste weiterhin gebaute Automodell ist. Es kostet etwa 50 000 Euro und schafft 188 Kilometer pro Stunde.

Ein Investment in die britische Autobranche kurz vor dem Brexit-Termin mag überraschend erscheinen. Die Gefahr eines ungeregelten Austritts ohne Abkommen ist nicht gebannt, und in dem Fall könnten Zölle und Verzögerungen an den Häfen die Wettbewerbsfähigkeit der Werke im Königreich bedrohen. Allerdings ist Investindustrial nicht der einzige europäische Investor, der munter Geld auf der Insel anlegt. Ganz im Gegenteil: Im vergangenen Jahr erwarben Käufer aus der übrigen EU britische Firmen, Aktien und Immobilien im Wert von 31,1 Milliarden Dollar, wie aus Angaben des Datenanbieters S&P Capital IQ hervorgeht. Das ist mehr als doppelt so viel wie 2016, dem Jahr des EU-Referendums. Von Brexit-Blues also keine Spur. Bisher zumindest.

© SZ vom 07.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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