Mode:Natur der Sachen

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Marken wie Timberland, Vans oder The North Face kennen die meisten - den Konzern dahinter kaum jemand: VF. Seit Neuestem gehört auch der Outdoor-Ausrüster Icebreaker dazu.

Von Ulrike Sauer, Stabio

Gute Geschichten sind sehr gefragt, im hart umkämpften Geschäft für Lifestyle allemal. Der Neuseeländer Jeremy Moon hat eine wunderbare Geschichte auf Lager. Er entwickelte sie aus einer simplen Erkenntnis: Es ist einfach blöd, Plastik anzuziehen, um sich draußen in der Natur zu bewegen. Moon brachte Funktionsbekleidung aus feinster Wolle der neuseeländischen Merinoschafe auf den Markt. Mit der Idee stellte er die Outdoor-Branche auf den Kopf und machte Icebreaker zu einer globalen Marke. Allein in Europa ist das ungewöhnliche Sportlabel für Läufer, Wanderer und Skifahrer in 2000 Fachgeschäften vertreten.

Vor einem Jahr begann für den Naturfaser-Pionier eine neue Geschichte. Moon verkaufte das Unternehmen aus Auckland an den amerikanischen Bekleidungskonzern VF Corporation, der mit 30 Marken zwölf Milliarden Euro Umsatz macht. VF selbst ist in der Öffentlichkeit weithin unbekannt - seine Freizeitlabel wie The North Face, Timberland und Vans oder die Jeansmarken Lee und Wrangler machte er weltweit populär.

Das erhofft sich der Gründer Moon nun auch für Icebreaker. Beim Verkauf betrug sein Umsatz 220 Millionen Dollar. Der neue Eigentümer VF nahm sich vor, das neuseeländische Unternehmen zur nächsten Milliardenmarke hochzuzüchten. Keine Frage: Der Konzern aus Greensboro in North Carolina hat ein Händchen fürs Aufspüren unterentwickelter Marken, deren Wachstum es mit einem Turbo beschleunigt.

Im Fall Icebreaker steckt aber hinter dem Aufkauf mehr als der Globalisierungsgedanke. "Das ist unsere erste zweckgerichtete Übernahme", sagt Martino Scabbia Guerrini, der die globale Verantwortung für Marken wie Timberland, Napapijri, Eastpak, Kipling und Icebreaker trägt. "Purpose driven" heißt das neue Mantra von VF. Und der Zweck, dem der Kauf des grünen Labels aus Neuseeland dienen soll, ist die Übertragung nachhaltiger Produktinnovationen auf andere Marken. "Die besten Lösungen liefert die Natur", sagt Scabbia Guerrini.

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(Foto: VF/PR)

Body Optix by Lee

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(Foto: Chris Yates/VF)

London Fashion Week Mens Sring Summer 2019 - Christopher Ræburn Show Studios, 180 The Strand, London UK. 10th June 2018.Christopher Ræburn shows his collection and his Spring Summer 2019 Catwalk show. ©Chris Yates

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(Foto: VF/PR)

Der Italiener lenkt das Geschäft in Europa, dem Nahen Osten und Afrika - dem größten Absatzmarkt von VF - aus einem nach strengen Öko-Standards fertiggestellten gläsernen Kasten im Schweizer Tessin. Scabbia Guerrini sitzt in seinem Büro im hippen VF-Hauptquartier in Stabio, einem 5000-Seelen-Dorf in der Nähe des Comer Sees. Aus dem zweiten Stock blickt er in die herbstliche Voralpenlandschaft. Die Amerikaner wählten den Standort in der Schweiz, weil das zuverlässige Land Stabilität verspricht. Und Norditalien mit seinem traditionellen Know-how in der Herstellung von Kleidung und Schuhen nur zehn Kilometer entfernt ist. Mailand erreicht man von Stabio aus in 45 Minuten.

Von außen weist nichts darauf hin, dass in dem futuristischen Glashaus Marken auf Weltformat getrimmt werden. Drinnen arbeiten 850 Leute aus 39 Ländern an Stil, Strategien und der Globalisierung der Label. Ihr Durchschnittsalter: 30 Jahre. Coolness ist angesagt. Für Meetings steht ein sonnengelbes Expeditionszelt von North Face im Foyer.

Der Chef trägt einen edelgrauen Strickblazer aus der Kollektion der italienischen Konzernmarke Napapijri, die im April in Mailand vorgestellt wurde. Sie entstand im Entwicklungszentrum in Stabio. Durch digitales Design ist es möglich, an den Strickmaschinen aus einem Faden T-Shirts und Jacken in einem Stück herzustellen. Der Stoffabfall wird so um 30 Prozent reduziert.

VF-Chef Scabbia Guerrini lockt die kreativen Köpfe mit einem ungewöhnlichen Arbeitsklima in die beschauliche und seenreiche Bergwelt der Südschweiz. "Bei uns interagieren 850 Mitarbeiter in einer sehr dynamischen, offenen Weise, egal für welche Marke und in welcher Rolle sie tätig sind", sagt er. Die vielfältigen Karrierechancen in dem Multi-Marken-Konzern, der in 20 Ländern wichtige Büros betreibt, stellten einen Reiz für gute Leute dar.

Als der Mailänder vor zwölf Jahren zu VF kam, brachte er Erfahrungen von italienischen Luxus- und Modeunternehmen wie Tod's und Stone Island mit. "Mir fiel sofort auf, dass Amerikaner in der Unternehmensführung einen Gang mehr haben", sagt er. VF packe seine Modemarken in eine Maschine mit starken operativen Plattformen für Produktion, Logistik, geografische Expansion, Finanzmanagement, Marketing und Innovation. "Und diese 119 Jahre alte Maschine hat ein unglaubliches Niveau der Effizienz erreicht", sagt Scabbia Guerrini.

Das Hauptquartier von VF in Stabio im Schweizer Kanton Tessin. (Foto: oh)

Das 1899 gegründete Unternehmen stellte anfangs Handschuhe her. Dann sattelte es um auf Damendessous und firmierte unter dem Namen Vanity Fair. Ende der Sechzigerjahre kaufte man die Jeanshersteller Lee und Wrangler. Aus Vanity Fair wurde die VF Corporation. Die Ära der Moderne begann 2000 mit der Übernahme der angeschlagenen Bergsteigermarke The North Face, die mit der Ausrüstung von Naturfreaks 240 Millionen Dollar Umsatz machte, aber finanziell am Ende war. Es war der Startschuss zur Wandlung vom Jeanshersteller in einen Outdoor- und Lifestylekonzern. Es folgten 14 weitere Übernahmen.

VF machte den kalifornischen Pleitekandidaten North Face zu einem Marktführer mit 2,3 Milliarden Dollar Umsatz. Ähnliches führte man mit der Neuausrichtung der Skatermarke Vans vor, heute der größten und am stärksten wachsenden Marke im VF-Bauchladen. Oder mit der Auffrischung von Timberland, das einst mit seinen gelben Schnürstiefeln bekannt geworden war. Im Oktober erhöhte der Konzern sein Wachstumsziel für das am 31. März 2019 endende Bilanzjahr: Der Umsatz soll nun um mindestens 11 Prozent auf 13,7 Milliarden Dollar steigen.

Von Finanzinvestoren hebt sich VF durch die Fähigkeit ab, strategisch in die Label zu investieren, sagt Scabbia Guerrini. Man sei an der langfristigen Ausrichtung der Marken interessiert.

So treibt VF gerade den Ausbau des Direktverkaufs voran, sowohl in den eigenen Läden als auch im Onlinehandel. Die strukturellen Investitionen in die Digitalisierung, in Kompetenzen und Abläufe kämen dann allen Marken zu Gute. "Das ist wie ein Tango, man tanzt zu zweit", sagt der Europachef.

© SZ vom 08.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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