Mobilität:Auf den letzten Metern

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Prominente Fahrer steuern den ersten Streetscooter aus dem neuen Werk in Düren: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und Post-Vorstand Jürgen Gerdes (rechts). (Foto: Andreas Rentz/Getty Images)

Viele Pakete werden mit Diesel-Fahrzeugen ausgeliefert. Doch es gibt Alternativen: Die Post baut E-Transporter, und in Berlin werden Bestellungen per Rad zugestellt.

Von Michael Bauchmüller und Benedikt Müller, Düren/Berlin

Der erste Transporter trägt das Kennzeichen "DN-NR 1E": "DN" steht für Düren. Und das "E" verdeutlicht, dass diese Nummer eins batteriebetrieben fährt statt mit Dieselmotor. Alle zehn Minuten soll hier, in einem alten Fordwerk zwischen Aachen und Köln, fortan ein Streetscooter vom Band laufen. Mit jenem Elektrotransporter fährt die Deutsche Post in immer mehr Städten Briefe und Pakete aus. Der Bonner Konzern verzeichnet eine so rege Nachfrage nach seinen Streetscootern, dass er nun seine zweite eigene Autofabrik eröffnet hat - und sogar einen Börsengang seiner Tochterfirma prüft.

Der Scooter ist eine Antwort auf eine pikante Entwicklung. Weil auch die Deutschen immer mehr im Internet bestellen, werden Pakettransporter zunehmend zum Ärgernis - und zur Umweltbelastung in den Städten. Schon jetzt werden in Deutschland jährlich mehr als 2,5 Milliarden Pakete verschickt, berichtet die Bundesnetzagentur. Tendenz steigend. Elektrische Zustellautos könnten zumindest ein Teil der Antwort sein.

Die sogenannte letzte Meile zum Kunden verursacht etwa die Hälfte der Betriebskosten

Die Idee des batteriebetriebenen Kleinlasters entstand vor acht Jahren an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. 2014 übernahm dann die Deutsche Post die universitätsnahe Streetscooter GmbH. Sie war damals unzufrieden mit den wenigen Elektrotransportern, die etablierte Autohersteller im Angebot hatten. Die Post erhofft sich einen Wettbewerbsvorteil, wenn sie mit dem Streetscooter Pakete fast ohne Lärm und Abgase ausfahren kann. Dies gilt erst recht in Zeiten, in denen mit Hamburg eine erste deutsche Stadt ein lokal begrenztes Verbot für Dieselautos verhängt hat.

Mittlerweile setzen auch andere Paketdienste auf batteriebetriebene Transporter. So will etwa Hermes künftig 1500 Elektrofahrzeuge von Daimler in die Flotte aufnehmen. Auch der Konkurrent UPS ist hierzulande mit ersten Stromern in der Zustellung unterwegs. Und der Onlinehändler Amazon will im Ruhrgebiet Pakete mit batteriebetriebenen Daimler-Transportern zustellen lassen.

Doch trotz der neuen Elektrotransporter wird die Paketlogistik absehbar die Umwelt belasten. Denn für die langen Strecken, um die vielen Pakete von Ballungsraum zu Ballungsraum zu bringen, genügt die Reichweite batteriebetriebener Fahrzeuge bisher nicht. Beispielsweise will die Deutsche Post Jahr für Jahr etwa 5000 Streetscooter in ihre Brief- und Paketflotte aufnehmen. Doch ist der Konzern insgesamt mit knapp 50 000 Fahrzeugen unterwegs. Die Elektrifizierung wird also noch einige Jahre dauern. Und noch steht nicht fest, ob die Post ihre Elektrotransporter beispielsweise auch in hügeligen Gegenden bei Frost einsetzen wird.

Eine andere Alternative wird gerade in Berlin getestet: das Lastenfahrrad. Die Idee dahinter ist simpel. Pakete werden mit Lkws zu einer zentralen Sammelstelle gebracht. Dort wiederum holen Lastenräder sie ab und verteilen sie in der näheren Umgebung. Bislang ist das ganze noch ein Provisorium, Container stehen in einer nicht mehr genutzten Wendeschleife für Straßenbahnen. Zwölf Lastenräder holen die Pakete dort ab und verteilen sie.

Für den dicht besiedelten Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg aber könnte das Projekt einen echten Unterschied machen. Denn die Lastenräder holen hier die Pakete fünf verschiedener Paketdienste ab, darunter auch die Posttochter DHL. Im Straßenverkehr aber nehmen sie weder viel Platz weg, noch verschlechtern sie die Luft. Diesen Mittwoch ging das Projekt offiziell an den Start, unterstützt vom Bundesumweltministerium. Man wolle beweisen, sagt Ministerin Svenja Schulze (SPD), "dass Paketlieferungen auf der letzten Meile auch anders organisiert werden können". Derzeit fahren in Berlin 2500 Paketautos, jeden Tag liefern sie mehr als 400 000 Sendungen aus.

Den Paketdiensten selbst verursacht die sogenannte letzte Meile zu den Kunden etwa die Hälfte der Betriebskosten. Die Unternehmen hätten also einerseits einen hohen Anreiz, stärker zu kooperieren: Sie könnten wie in Prenzlauer Berg gemeinsam Kosten auf der letzten Meile einsparen. Andererseits will in dem harten Wettbewerb der Paketdienste kein Anbieter freiwillig Marktanteile abgeben oder gar den Betrieb auf der letzten Meile einstellen. Entsprechende Anregungen sind bislang ins Leere gelaufen. So schlug Postchef Frank Appel vorigen November vor, dass große Städte die Paketzustellung vor Ort ausschreiben könnten: Dann würde ein Anbieter das Austragen in der ganzen Stadt auf Zeit übernehmen und die Pakete der Konkurrenz mitnehmen. Bisher hat jedoch keine Stadt eine solche Ausschreibung durchgeführt.

So macht jeder weiter Seins - und die Post wird zum Autohersteller. Mit dem zweiten Streetscooter-Werk schafft sie etwa 250 Arbeitsplätze in Düren. Es ist Strukturwandel im doppelten Sinne: Zum einen entstehen die Arbeitsplätze in einer Region, die vom Ende umliegender Braunkohletagebaue betroffen wäre; zum anderen hat die Post die nötigen Flächen in einem Getriebewerk gemietet. Früher produzierte hier Ford seine Autogetriebe, heute macht das der Autozulieferer Neapco. Und jetzt kommt das Elektroauto hinzu. Die 30 000 bis 45 000 Euro teuren Streetscooter, welche die Post seit dem vorigen Sommer auch an Handwerker oder städtische Betriebe verkauft, kommen aus der Henry-Ford-Straße.

© SZ vom 02.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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