Mobilfunk:Finale im Milliardenspiel

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Der neue Mobilfunkstandard der fünften Generation gilt als Grundlage für vernetzte Roboter in den Fabriken sowie autonom fahrende Autos. (Foto: Steve Marcus/Reuters)

Der Bieterkampf um den schnellen Mobilfunk 5G drehte sich zwischenzeitlich um nur noch einen einzigen Frequenzblock. Kompromisse dieser Woche zeigen, wie schnell die Auktion zu Ende gehen könnte.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Seit gut zwei Wochen buhlen Deutschlands Mobilfunkkonzerne nun um das Netz der Zukunft: Der Staat versteigert erste Frequenzen, die für den Standard 5G geeignet sind. Und langsam, aber sicher sehen Beobachter die milliardenschwere Auktion auf einer möglichen Zielgeraden: Von 41 Frequenzblöcken war zwischenzeitlich nur noch ein einziger umkämpft. Ein Hinweis darauf, dass die Versteigerung schneller enden und dem Staat deutlich weniger Geld einbringen dürfte als frühere Auktionen. Und vieles spricht dafür, dass die Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica ("O₂") bald einen vierten Konkurrenten mit eigenem Netz bekommen werden.

Der Funk der fünften Generation, für den die Konzerne bieten, gilt als Grundlage von Zukunftstechnologien: Wenn Roboter in den Fabriken miteinander funken, Autos autonom fahren oder Menschen eines Tages mit Datenbrillen durch die Menge laufen, dann soll 5G die anfallenden Datenberge nahezu in Echtzeit übertragen. Der Standard folgt auf die bisher schnellste Technik LTE.

Auf die Frequenzen bietet - neben den drei etablierten Betreibern - auch das Unternehmen 1&1 Drillisch. Es steht für Marken wie Simply oder Yourfone und nutzt bislang gegen Gebühr die Netze der anderen. Doch nun will die Tochter von United Internet offensichtlich ihr eigenes Netz aufbauen. Jedenfalls ließ sie bislang alle Gelegenheiten aus, das Rennen zu verlassen.

Insgesamt haben die Konzerne schon mehr als 2,6 Milliarden Euro auf die Lizenzen geboten. Darunter sind zwölf Frequenzbänder, die sich für den Netzausbau in der Fläche eignen. Und 29 Blöcke mit höheren Frequenzen, die Daten zwar sehr schnell übertragen können, allerdings ist ihre Reichweite begrenzt. Sie eignen sich, um Zentren und Verkehrsknotenpunkte zu versorgen, oder Fabriken und Labore.

Zwar dürfen sich die Bieter am Ort des Geschehens in Mainz nicht absprechen. Die Firmenvertreter sitzen in abgeschirmten Räumen und dürfen nur per Standleitung mit ihren Zentralen kommunizieren. Dennoch senden sie mit ihren Geboten Signale: Auf wie viele Bänder bieten sie, ziehen sie Gebote zurück? Auch wenn eine Firma mehr Geld auf einzelne Lizenzen bietet als unbedingt nötig, setzt sie Zeichen.

Vitali Gretschko analysiert dieses Milliardenspiel von außen. Der Professor arbeitet am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. "Die Deutsche Telekom und Vodafone haben jeweils eine klare Strategie verfolgt", sagt er: Beide wollten je vier Blöcke für die Fläche ersteigern und mindestens acht Lizenzen für die höheren Frequenzen. Mithin sei es vor allem darauf angekommen, wie Telefónica und Drillisch den Rest verteilen würden.

"Auch Telefónica hat eine klare Sprache zu erkennen gegeben", sagt Gretschko. Der O₂-Konzern gebe sich seit dieser Woche mit weniger Frequenzen zufrieden und habe damit einen Kompromiss ermöglicht. Der Forscher hielt eine Einigung daher schon am Montag für möglich. Telefónica und 1&1 Drillisch brauchten jedoch ein paar Runden bis Dienstag, um sich auf je zwei Blöcke für die Fläche zu einigen. "Der wesentliche Konflikt, ob Drillisch überhaupt Frequenzen ersteigern möchte, schien seit Dienstagmittag gelöst." Doch suchten die Mobilfunkkonzerne seither noch einen Kompromiss bei den höheren Frequenzen. Hier beobachtete Gretschko ebenfalls am Dienstag eine Art Friedensangebot von Vodafone: Die Düsseldorfer machten ein Frequenzband frei für den neuen Wettbewerber 1&1 Drillisch. "Seitdem war klar, dass die Auktion zu Ende gehen kann." Allerdings buhlten die Konzerne am Mittwoch noch erbittert um einen einzigen Block höherer Frequenzen. So erbittert, dass der ganze Kompromiss punktuell auseinanderbrach - und die Kontrahenten wieder um Blöcke boten, die eigentlich schon verteilt erschienen.

Dennoch dürfte der Staat diesmal deutlich weniger Geld erlösen als im Jahr 2000, als er erste 3G-Lizenzen versteigert und gut 50 Milliarden Euro eingenommen hatte. Freilich bemängeln die Mobilfunkkonzerne bis heute, dass sie damals dermaßen viel Geld für Frequenzen ausgeben mussten, das ihnen folglich für den Netzausbau auf dem Land gefehlt hat. So gelten die teuren 3G-Lizenzen als eine Ursache der vielen Funklöcher im hiesigen Netz.

Zudem hat der Staat die Auktion in diesem Jahr mit strengen Auflagen versehen: Telekom, Vodafone und Telefónica müssen bis 2022 mindestens 98 Prozent der Haushalte bundesweit mit schnellem Funk versorgen, sodass diese mindestens 100 Megabit pro Sekunde herunterladen können. Diese Bandbreite muss auch entlang wichtiger Straßen und Eisenbahnen gegeben sein. Zwar können die Betreiber für diese Grundversorgung auch ältere Frequenzen nutzen. Den Konzernen stehen aber in jedem Fall Milliardeninvestitionen ins Haus. Auch deshalb schienen Rekordgebote von Beginn an unwahrscheinlich.

Dass der Staat überhaupt mehr als zwei Milliarden Euro erlösen wird, führt Gretschko auf die Existenz des vierten Bieters 1&1 Drillisch zurück. "Die drei etablierten Netzbetreiber wären sich wohl schnell einig geworden, wie sie die Frequenzbänder verteilt hätten", sagt der Forscher. Ohnehin will die Bundesregierung die Auktionserlöse wieder für den Breitbandausbau zur Verfügung stellen.

Für den Neuling Drillisch gelten indes laxere Ausbauauflagen. Das M-Dax-Unternehmen nutzt bislang vor allem Masten und Frequenzen von Telefónica mit - und zahlt Analysten zufolge mehrere Hundert Millionen Euro jährlich dafür. Mit eigenen Lizenzen hätte die Firma eine bessere Ausgangsposition, wenn sie bald über eine Verlängerung der Vereinbarung mit Telefónica verhandeln würde. Zudem müssen die etablierten Betreiber mit Drillisch zumindest darüber verhandeln, ihr Netz in ländlichen Regionen dem Neuling zu öffnen. Das schreibt der Staat in den Auflagen vor.

Und wenn der Bieterkampf der bundesweiten Mobilfunkkonzerne bald wirklich vorbei ist, will der Staat im zweiten Halbjahr einen Rest an Frequenzen verteilen, den er vor allem für Industriebetriebe freigehalten hat. Diese können dann lokal begrenzte Campusnetze aufbauen: für funkende Roboter und alles andere, was zur Fabrik der Zukunft gehört.

© SZ vom 04.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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