Mobil:"Wann geht der nächste Flug nach Mallorca?"

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Heute Frankfurt, wie hier im Bild, und morgen weiter nach Rom? Google sieht hier gute Geschäftsmöglichkeiten bei der Vermittlung. (Foto: Frank Rumpenhorst/AFP)

Einfach Google fragen: Der Internetkonzern verändert mittlerweile auch das Reisen erheblich.

Von Michael Kuntz, Berlin

Im Supermarkt an der Kasse: In der Warteschlange greift ein Mensch zum Handy und tippt etwas in die Maske der Suchmaschine. So etwas ist nicht komfortabel, wenn man nebenbei noch seine Einkäufe auf das Band legen soll. Das ist aber bald nicht mehr nötig. Künftig wird der Kunde mit seinem Mobiltelefon sprechen - und es wird antworten. Wann geht der nächste Flug nach Mallorca? So eine einfache Frage klappt schon mit einer gerade mal sechs Monate alten Technologie von Google, die ständig weiterentwickelt wird. Was kostet der billigste Flug? Kann ich den gleich buchen? Das sind dann die nächsten Schritte. Und schon wird Spracherkennung zum neuen Geschäftsmodell.

Der Google-Assistent könnte die Welt verändern insbesondere die Reiseindustrie revolutionieren. Das machte auf der Messe ITB in Berlin Oliver Heckmann deutlich, bei Google zuständig für die Technik bei Shopping und Travel. Was harmlos daher kommt als ein Produkt noch in der Entwicklungsphase bringt selbst große Anbieter wie Fluggesellschaften ins Hintertreffen, weil sie über vergleichbare Technik nicht verfügen. Sie brauchen Google.

Geduldig warten? Die meisten Menschen können das nicht mehr

Warum? Zurück in den Supermarkt: In der Warteschlange an der Kasse lassen sich Daten schlecht eingeben. Das ist aber kaum zu vermeiden, wenn man direkt auf die Webseite einer Airline, eines Hotels oder einer Mietwagenfirma geht. Dann wird ein Passwort abgefragt, das die Leute oft nicht dabei haben, wenn sie unterwegs sind, oder sie haben es vergessen.

Genau darin liegt die Chance von Google: Da der Nutzer eines mobilen Gerätes im Normalfall ein Konto bei Google hat, ist er dort häufig ständig angemeldet und so sind auch die Informationen zur Kreditkarte im Hintergrund verfügbar. Der Kauf eines Fluges funktioniert also auch ohne die erneute Eingabe der Kontaktdaten zur Lieferung und zum Bezahlen. Google hat schon alles. "Das ist natürlich rein optional", beruhigt Oliver Heckmann datensensible Gemüter.

Es geht nicht nur um neue Funktionen für das Handy, den Laptop oder Tablet-Computer. Google bietet in den USA bereits eine Sprachbox an, die aussieht wie eine Ventilator-Säule. Ähnliches gibt es von Amazon. Mit solchen Geräten kann man auch kommunizieren, wenn man gerade etwas anderes macht: etwa am Herd steht und kocht oder im Fitnessraum auf dem Laufband joggt. Statt in der Halle eines Hotels auf den Concierge zu warten, könnte man mit dieser Art Roboter reden. Und vielleicht eine fundiertere Antwort bekommen als von einem Menschen.

Der Sprachroboter kann noch keine Emotionen zeigen, aber er lernt dazu: Er versteht nicht nur das Gesagte, auch das Einordnen der Informationen gelingt zunehmend besser. Das System berücksichtigt bereits vorhandene Informationen, es ist selbstlernend, es arbeitet mit KI, also künstlicher Intelligenz.

Fragt man, wann ein Flug nach Frankfurt geht, und später: "Wann geht mein Flug?", dann weiß die Spracherkennung, dass es sich um den Flug nach Frankfurt handelt. Das beeindruckt viele in der Reiseindustrie sehr. Denn es macht Google noch mächtiger.

Über sogenannte Partnerseiten bei Google kauft man per Sprache ein wie auf der Homepage einer Airline oder eines Hotels. Google kassiert dafür. Wird Google nun zu einem Online-Reisebüro, oder, wie die Fachwelt es nennt, zu einem Online Travel Agent OTA? Nein, lächelt freundlich der Google-Manager. Kurz zuvor hatte er noch die Reiseindustrie als den weltweit größten Arbeitgeber geschildert, der neun bis zehn Prozent der globalen Wirtschaftsleistung erzeugt.

Da will Google nicht dabei sein? Das nun doch nicht. Google ist längst dabei, der Konzern muss überhaupt nicht das kleinteilige Geschäft einer Airline, eines Hotels oder einer Autovermietung selbst betreiben. Es reicht aus, Kunden zu vermitteln. Als Daten- und Software-Dienstleister lässt sich eine Rendite erzielen, die in einem Hotel mit zufriedenen und unzufriedenen Gästen nicht annähernd erreichbar ist.

Seit der Gründung von Google 1998 haben die Nutzer ihre Reisen am Desktop-Computer geplant. Heute sind sie mobil auf vielen Geräten unterwegs. Das hat die Funktion der Suchmaschine verändert: Früher gab es einen Link und der User wurde weitergeleitet zu einem Anbieter. Heute beantwortet Google viele Fragen erst einmal selbst und präsentiert dann eine Übersicht zur Auswahl. Die Suchmaschine stellt etwa eine Übersicht aller Hotels in Berlin oder der Flugverbindungen zwischen Berlin und München zusammen. Erst danach wird der Suchende weitergeschickt zum eigentlichen Anbieter - oder nicht einmal mehr das, dann landet er auf einer dieser sogenannten Partnerseiten, blitzschnell.

Je mehr Menschen mit mobilen Geräten unterwegs sind, desto schneller wollen sie sich informieren und auch gleich kaufen. Abwarten und Gelassenheit zeigen, das ist nicht mehr vorgesehen. "Die Leute werden immer ungeduldiger", sagt Google-Manager Heckmann.

© SZ vom 10.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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