Mittwochsporträt:Der Schotte muss sparen

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Der erste Verlust seit 16 Jahren und ein Umweltdesaster: Für Andrew Mackenzie, Chef von BHP Billiton, kommt es knüppeldick.

Von Björn Finke

Der Manager kämpft kurz mit den Tränen. Auf der Hauptversammlung seines Milliarden-Konzerns spricht er über die größte Umweltkatastrophe in der Geschichte Brasiliens: Bei einer Erzmine brachen Dämme eines Rückhaltebeckens, giftiger Schlamm flutete ins Tal und tötete 17 Menschen. BHP Billiton, das britisch-australische Rohstoffunternehmen, trägt Mitschuld daran, denn es betreibt die Mine mit einem Partner. Die Besucher des Aktionärstreffens im australischen Perth konnten auf der Leinwand über der Bühne in Nahaufnahme sehen, wie sehr dieses Desaster Vorstandschef Andrew Mackenzie augenscheinlich erschüttert hat - auch wenn Kritiker klagen, dass sich der Konzern vor Ort alles andere als mitfühlend zeigt.

Das war im November. Jetzt, drei Monate später, stand für den 59 Jahre alten Schotten ein weiterer schwieriger Termin an. In der Nacht zum Dienstag legte Mackenzie, der BHP Billiton seit fast drei Jahren führt, schlechte Halbjahreszahlen vor - das Geschäftsjahr des Konzerns endet im Juni. Er musste den ersten Verlust seit mehr als 16 Jahren einräumen, und es war kein kleiner. Für die sechs Monate verbuchte das Unternehmen einen Fehlbetrag von 5,6 Milliarden Dollar. Das lag an hohen Abschreibungen in der Bilanz: für die Unglücksmine in Brasilien und für Ölfelder in den Vereinigten Staaten, die unter der niedrigen Öl-Notierung leiden.

Die wohl größte Umweltkatastrophe in der Geschichte Brasiliens: Dämme einer Mine von BHP Billiton brachen, giftiger Schlamm ergoss sich ins Tal, etwa in den Ort Paracatu de Baixo. (Foto: Douglas Magno/AFP)

Der promovierte Geologe und Chemiker musste darum etwas Unerhörtes tun. Er kappte die Dividende, zum ersten Mal seit 1988. Dabei schätzen Anteilseigner Aktien von Rohstoffkonzernen gerade wegen ihrer attraktiven und verlässlichen Ausschüttungen. Vorbei. Oder, wie es Mackenzie formuliert: "Wir müssen nun erkennen, dass wir uns in einer neuen Ära, einer anderen Welt befinden, und wir brauchen dafür eine andere Dividendenpolitik."

Die hässliche neue Welt der Rohstoffbranche ist eine Welt niedrigerer Preise. Unerfreulich für Manager und Aktionäre, angenehm für Verbraucher. Die Konjunktur in China kühlt sich ab, weswegen die Nachfrage nach Metallen wie Kupfer und Eisen oder Energieträgern wie Öl und Kohle langsamer wächst. Doch das Angebot ist in den vergangenen Jahren kräftig gestiegen, dank hoher Investments der Konzerne. Logische Folge ist der Verfall der Preise. BHP Billiton fördert Kohle, Kupfer und Eisen sowie, ungewöhnlich für Minen-Unternehmen, auch im großen Stil Öl und Gas. Im vorigen Halbjahr sanken die Notierungen für BHP-Produkte um 20 bis 51 Prozent. Damit seien die Preise noch niedriger "als erwartet", sagt Mackenzie.

Das belastet genauso die anderen Minenkonzerne wie Rio Tinto, Anglo American und Glencore. Anglo American und Glencore trifft der Abschwung besonders hart, weil die Unternehmen vorher, während des langen Booms, durch teure Übernahmen hohe Schulden angehäuft haben. Die zu bedienen fällt jetzt schwer. Deshalb zwangen Investoren den eigenwilligen Glencore-Chef Ivan Glasenberg im Sommer zu einem Schrumpfkurs. Das Schweizer Unternehmen muss sparen und Geschäftsteile verkaufen, damit die Schuldenlast sinkt.

Beim Konkurrenten Anglo American wäre der Begriff Schrumpfkurs sogar untertrieben. Dessen Vorstandsvorsitzender Mark Cutifani verkündete vorige Woche, sich von zwei Dritteln der Minen trennen zu wollen. Förderte der Konzern mit Sitz in London 2014 noch in 55 Minen, sollen es in Zukunft nur noch 16 sein.

Mit solchen Sorgen muss sich BHP-Billiton-Chef Mackenzie nicht herumschlagen. Sein Konzern ist weniger stark verschuldet. Zwar verspricht auch er, in den kommenden Jahren härter zu sparen und Investitionen zu kappen, aber er sieht sich beim Monopoly in der Rohstoff-Branche ganz klar als Käufer, nicht als Verkäufer. Er nennt als einen Grund für die Dividenden-Kürzung, dass BHP Billiton mit den zusätzlichen Milliarden eine günstige Gelegenheit nutzen könnte: "Wir haben mehr Geld, um über Zukäufe nachzudenken, wenn erstklassige Standorte auf dem Markt landen." Der Schotte als Schnäppchenjäger.

Mackenzie kann also mitten in der Krise an Übernahmen und Wachstum denken - das liegt auch daran, dass der Manager bereits in den vergangenen Jahren kräftig aufgeräumt hat. Sein Vorgänger Marius Kloppers hatte viel in Zukäufe investiert; er versuchte sogar, den Rivalen Rio Tinto zu erwerben. Das gelang ihm nicht: im Nachhinein betrachtet wohl zum Glück. Kloppers hatte Mackenzie einst von Rio Tinto abgeworben, wobei der Schotte sich lange zierte. 2008 fing Mackenzie dann bei BHP Billiton an, und fünf Jahre später löste er seinen Mentor ab. Er machte sofort klar, dass es nach den fetten Jahren jetzt darum gehe, zu sparen und effizienter zu werden.

Dass er einmal den weltweit größten Rohstoffkonzern führen würde, war zu Beginn seiner Karriere nicht abzusehen. Nach der Promotion an der Universität in Bristol arbeitete er zunächst als Wissenschaftler am Kernforschungszentrum Jülich. 1983 heuerte er beim Ölkonzern BP an, bis er nach 22 Jahren die Branche wechselte und dem Ruf von Rio Tinto folgte.

Als Vorstandschef von BHP Billiton verordnete er dem Konzern bereits im vorigen Jahr eine drastische Verkleinerung. Er sortierte sämtliche Minen und Rohstoffgeschäfte aus, die er nicht als Kernbereich des Unternehmens ansieht. Diese Resterampe spaltete Mackenzie als unabhängige Firma ab. Sie ist nun eigenständig an der Börse notiert und trägt den etwas geheimnisvollen Namen South32.

Er begründete den Schritt unter anderem damit, dass BHP Billiton - Ergebnis einer Fusion im Jahr 2001 - zu verschachtelt und kompliziert geworden sei. "Sind Dinge einfach, sind sie oft attraktiver: schöner oder künstlerischer", sagte er schwelgerisch. Er verglich den Umbau mit seiner früheren Arbeit als Wissenschaftler. Wollten Forscher ein Problem lösen, versuchten auch sie, es zu vereinfachen. "Einfachheit ist gleich bedeutend mit Wahrheit."

Doch das Desaster in Brasilien stellt den großen Sparer und Vereinfacher jetzt vor die härteste Probe seiner Amtszeit.

© SZ vom 24.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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