Mittelständische Unternehmen:Das Prinzip Hoffnung

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Chefs angeschlagener Unternehmen machen häufig einen großen Fehler: Aus Scham verschieben sie den Gang zum Insolvenzrichter. Irgendwann ist die Firma nicht mehr zu retten. Banken erwägen nun strengere Bonitätsprüfungen.

Elisabeth Dostert

Die Einbußen sind beträchtlich: Gut 31.000 Unternehmen mussten im vergangenen Jahr Insolvenz anmelden. Der Schaden belief sich nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Creditreform auf 31 Milliarden Euro.

In diesem Jahr rechnet sie mit insgesamt 28.000 bis 30.000 Pleiten. Ob es bei der Prognose vom Sommer bleibt, ist allerdings völlig offen. Neue Zahlen will Creditform am Dienstag in Frankfurt veröffentlichen.

"Wir leben in Unsicherheit", sagte Creditreform-Vorstand Helmut Rödl der Süddeutschen Zeitung. Eine wichtige Rolle in seinem Risikoszenario spielt die KfW. Am Dienstag hatte die Bankengruppe bekanntgegeben, dass sie ihre Risikovorsorge wegen der Schieflage der Mittelstandsbank IKB, deren größter Aktionär die KfW ist, um 2,3 auf 4,8 Milliarden Euro erhöhen muss.

"Das dürfte nicht ohne Einfluss auf das für den deutschen Mittelstand so wichtige Fördergeschäft der KfW bleiben", sagt Rödl, betont aber: "Derzeit gibt es keine Kreditklemme."

Er verweist auf Zahlen der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Deutschen Bundesbank, wonach die Kreditvergabe der Banken an die Unternehmen in den vergangenen Monaten stabil geblieben ist. "Ertragslage und Investitionstätigkeit im Mittelstand sind weiter positiv", erläutert Rödl.

Er nennt allerdings auch einige negative Aspekte. "Die Konjunkturaussichten haben sich eingetrübt, und die Banken überdenken ihr Risikoverhalten. In der Folge könnten die Anforderungen an die Bonität der Schuldner steigen", sagt Rödl.

"Das Mittelfeld dünnt aus"

Darunter würden ihm zufolge zunächst vor allem große Unternehmen leiden, die sich nicht nur über Kredite, sondern beispielsweise auch über Anleihen oder Genussscheine finanzieren. Sollten in den kommenden Monaten die Zinsen an den Kapitalmärkten anziehen, wächst aber auch die Insolvenzgefahr in den Unternehmen, denn die Finanzierung über die Kreditinstitute wird teurer.

Die Eigenkapitalausstattung vieler Mittelständler habe sich zwar in den vergangenen Jahren auch unter dem Druck der strengeren Eigenkapitalvorschriften, Stichwort Basel II, verbessert, sei aber häufig noch nicht ausreichend. "Das Mittelfeld dünnt aus", so Rödl. Die Gruppe der Unternehmen mit einer als gut zu bewertenden Eigenkapitalquote von 30 Prozent wächst, allerdings auch die Zahl der Firmen mit weniger als zehn Prozent.

Finanzierungslücken, allen voran zu wenig Eigenkapital, sehen Insolvenzverwalter als einen der wesentlichen Gründe für Firmenpleiten (Grafik), ergab eine Studie des auf Sozial- und Wirtschaftsforschung spezialisierten Wiesbadener Kohorten-Instituts für den Kreditversicherer Euler Hermes und das Zentrum für Insolvenz und Sanierung (ZIS) an der Universität Mannheim.

Für die Studie wurden 124 Insolvenzverwalter befragt, die insgesamt etwa 19000 Verfahren bearbeiten. Viele Firmen wären allerdings noch zu retten, wenn der Insolvenzantrag früher gestellt worden wäre.

"In einer frühen Phase der Schieflage ist noch genügend Liquidität und genügend Masse für eine Sanierung vorhanden", sagt Gert Schloßmacher, Vorstandsmitglied von Euler Hermes. Und, so ein weiteres Ergebnis der Studie, zu Beginn einer Krise sind sowohl Gläubiger, etwa Banken oder Lieferanten, als auch Mitarbeiter noch sehr viel stärker bereit, an der Sanierung mitzuwirken.

"Wartet ein Unternehmer zu lange mit dem Gang zum Amtsgericht, sind die besten Mitarbeiter, die in der Lage gewesen wären, die Krise zu meistern, schon weg, weil sie den Braten längst gerochen haben", sagt Schloßmacher.

Psychologie bedeutend

Dennoch zögern viele Firmeninhaber. Dabei spielen der Studie zufolge psychologische Gründe eine weit größere Rolle als sachliche. Gerade der Geschäftsführer eines kleinen oder mittleren Betriebes sei häufig kein Homo oeconomicus, heißt: Er ist eher Handwerker, Techniker oder Ingenieur als Kaufmann.

Fehlende betriebswirtschaftliche Kenntnisse seien für inhabergeführte Unternehmen, sie stellen mehr als 80 Prozent der Pleiten, besonders typisch, heißt es in der Studie: So kommt es vor, dass Umsatz und Ertrag verwechselt werden, oder Firmen lassen sich in der vagen Hoffnung auf lukrativere Folgeaufträge anfänglich auf ein Minusgeschäft ein.

Branchenkrisen treffen der Studie zufolge besonders Betriebe mit weniger als 50 Mitarbeitern. Deren Inhaber oder Gründer haben sich oft als gute Fachleute selbständig gemacht, aber häufig nichts über Betriebswirtschaftslehre gelernt.

Tritt dann die Krise ein, werde sie häufig als vorübergehend angesehen. Die Unternehmer hegen allzu lange die Hoffnung, nach jahrelangen Erfolgen werde es irgendwann wieder von selbst aufwärtsgehen. "Die haben einen Tunnelblick", sagt Schloßmacher: "Die wollen die Schieflage nicht wahrhaben, weil sie sich dann ihr eigenes Versagen eingestehen müssten."

So sieht das auch die Mehrheit der befragten Insolvenzverwalter. Die Angst, vor Bekannten oder in der Branche bloßgestellt zu werden, ist demnach eine der wesentlichen Ursachen dafür, weshalb Insolvenzanträge immer noch zu spät gestellt werden.

Zu diesen persönlichen Defiziten, die die Sozialforscher ausgemacht haben, passt eine weitere Erkenntnis. 57 Prozent der befragten Insolvenzverwalter nannten einen "autoritären, rigiden Führungsstil" als Grund für die Pleite.

© SZ vom 29.11.2007/bpr/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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