Ministererlaubnis:Hoffen auf Altmaier

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Besuch in Shanghai: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat noch bis August Zeit, eine Entscheidung zur Ministererlaubnis für die Fusion des Gleitlagergeschäfts der Unternehmen Zollern und Miba zu treffen. (Foto: Andreas Landwehr/dpa)

Das Kartellamt hat eine Fusion von Zollern und Miba untersagt. Nun kann nur noch eine Ministererlaubnis helfen.

Von Marcel Grzanna

Im Leben hängt bekanntlich alles irgendwie mit allem zusammen. Da ist es dann auch ganz einfach, eine Brücke zu schlagen zwischen dem China-Besuch von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier Ende Juni und den Nöten des schwäbischen Mittelständlers Zollern. Im Fernen Osten lobte Altmaier Ende Juni die Strategie Made in China 2025. Eine "Inspiration" hatte er darin entdeckt. Wenn dem so ist, dann dürften die Schwaben hoffnungsvoll aufatmen. Denn was sie sich von Altmaier erhoffen, ist eine Entscheidung, die dem chinesischen Ansatz bei Made in China2025 durchaus ähnelt, nämlich die globale Ausrichtung nationaler Industriepolitik.

Die Kartellbehörde hat ein Monopol befürchtet

Die Basis für diesen Zusammenhang bildet Zollerns Wunsch nach einer Fusion mit dem österreichischen Mitbewerber Miba. Beide Unternehmen stammen aus der metallverarbeitenden Industrie. Sie wollen sich mit einem Gemeinschaftsunternehmen bei Gleitlagern so positionieren, dass sie sich auf dem Weltmarkt gegen die Konkurrenten aus Asien, und dort vornehmlich aus Japan und zunehmend auch aus China, besser behaupten können, sagen sie. Nein, sagte dazu aber das Bundeskartellamt am Anfang des Jahres, weil es ein Monopol des neuen Akteurs fürchtete und damit steigende Preise für die Verbraucher.

Zollern und Miba bleiben dennoch fest entschlossen, sich künftig gemeinsam dem Wettbewerb zu stellen. "Unsere Kunden wollen diesen Zusammenschluss. Wir sind deren Partner in der Forschung und Entwicklung und können ihnen konkret die Lösungen bieten, die sie benötigen, um beispielsweise europäische Umweltstandards zu erfüllen", sagt Zollern-Chef Klaus Erkes im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Nur durch eine Fusion würde das Unternehmen dem Dilemma steigender Kosten für Weiter- und Neuentwicklung bei rückläufigen Umsatzzahlen im Schiffsbau entgegenwirken können, so Erkes.

Zollerns letzter Strohhalm ist nun Altmaier. Der Wirtschaftsminister hat unter bestimmten Bedingungen das letzte Wort in solchen Angelegenheiten. Die sogenannte Ministererlaubnis ist seit 1973 im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) festgeschrieben und ermächtigt die Politik dazu, gegen den Entscheid der Kartellbehörde einer Fusion zuzustimmen. Altmaier ließ den ersten Termin verstreichen und hat nun noch bis in den August Zeit, eine endgültige Entscheidung zu treffen.

Seine Worte in China und seine Idee einer Nationalen Industriestrategie 2030, die analog zum chinesischen Ansatz vorsieht, deutsche Champions hervorzubringen mit Hilfe "aktiver staatlicher Flankierung", sind für Erkes durchaus Anlass für Optimismus. "Die Eingriffe des Staates sollten sich zwar auf ein Minimum reduzieren und deutsche Champions ausschließlich durch den Markt erkoren werden. Aber zweifellos müssen wir das Wettbewerbsrecht globaler ausbauen." Das Kartellamt habe bei seiner Entscheidung vornehmlich den deutschen Markt im Blick gehabt. Zollern und Miba halten das für nicht zielführend. Lediglich Produkte im Wert eines Zehntels des kombinierten Gesamtumsatzes von 300 Millionen Euro würden von der Fusion betroffen, nur 13 Millionen davon fielen auf den deutschen Markt. "Das ist eine merkwürdige Abgrenzung durch die Kartellbehörde, weil wir uns bei solchen Summen im Bagatellbereich befinden und die Zulassung einer Fusion eigentlich nicht nötig ist", so Erkes.

Altmaiers Maßstab bei seiner Beurteilung muss die Frage nach dem Gemeinwohl sein. Die Ministererlaubnis wäre laut Gesetz nämlich nur gerechtfertigt, wenn gesamtwirtschaftliche Vorteile oder ein überragendes Interesse der Allgemeinheit größer sind als mögliche negative Konsequenzen steigender Marktmacht eines Gemeinschaftsunternehmens. Dabei bleibt immer die Frage, welche Maßstäbe angelegt werden, um das Gemeinwohl zu definieren.

Seit 1973 kam es zu 22 Entscheidungen durch die jeweils amtierenden Wirtschaftsminister. Nur neunmal beschieden sie die Anliegen der Unternehmen positiv, setzten sich also über das Nein des Kartellamtes hinweg. Die bekanntesten Fälle sind die Übernahme von MBB durch Daimler-Benz Ende der 1980er Jahre oder der Zusammenschluss der Energiekonzerne E.ON und Ruhrgas sowie vor drei Jahren die Einverleibung von Kaiser's Tengelmann durch die Lebensmittelkette Edeka.

Seit 1973 hat es nur 22 Anträge gegeben

Um für die Ministererlaubnis zu werben, verknüpften die Unternehmen ihre Argumente mit der Definition von Gemeinwohl: eine sichere Energieversorgung, der Erhalt von Arbeitsplätzen, Klima- und Umweltschutz oder die Sicherung von geistigem Eigentum und Kerntechnologien. Edeka rechnete Altmaiers Vorgänger Sigmar Gabriel sogar die Einbußen von Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen beim Verlust von 8000 Arbeitsplätzen vor. Dass es bislang nur 22 Anträge seit 1973 gegeben hat, liegt auch daran, dass viel Zeit vergeht, ehe das Kartellamt eine Entscheidung trifft und dann weitere Monate vergehen mit möglicherweise negativem Ausgang. Das hält besonders den Mittelstand davon ab, konsequent alle Mittel auszuschöpfen. Ganz besonders im Wettbewerb mit chinesischen Unternehmen sehen sich deutsche Mittelständler allerdings häufig unter Zugzwang, auch weil Chinas staatliche Subventionierung durch schnelle, billige Kredite oder den Verkauf unter Wert von Grundstücken gang und gäbe ist und den Asiaten einen klaren Wettbewerbsvorteil verschafft, der sich in den Preisen niederschlägt.

Die Chinesen halten das für den Königsweg, wenn auch radikaler und weniger marktkonform, als Altmaier es jemals ausdenken würde. Jörg Wuttke, Präsident der EU-Handelskammer in Peking, warnt jedoch davor, Fusionen in Deutschland oder Europa zu forcieren, nur um sich gegen chinesische Mitbewerber behaupten zu wollen. "Die Konsequenzen einer solchen Politik sind die Stärkung von Interessengruppen und der Aufbau von Überkapazitäten. Industriepolitik ist nur dann sinnvoll, wenn sie Visionen und emotionale Bilder mit dem Fokus auf deutsche Technologien inspiriert. Aber sie darf auf keinen Fall auf Subventionen basieren."

Wuttke glaubt, dass die Chinesen den Europäern gerne aufzwingen würden, große Akteure durch staatliche Unterstützung zu konstruieren, um dann die eigenen Schwächen verschleiern zu können. Chinas Fusionen von Staatsbetrieben leiden unter anderem an mangelnder Innovationskraft. Vor diesem Hintergrund sei die Weigerung einer Fusion der Eisenbahnsparten von Siemens und Alstom durch die EU-Kommission der richtige Entschluss gewesen.

© SZ vom 05.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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