Milliarden-Verluste:Jetzt aber

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„Wir sind auf einem guten Weg, unsere Strategie greift“, sagte Vorstandschef Christian Sewing. (Foto: Thomas Lohnes/Getty Images)

Die Deutsche Bank macht Milliarden-Verluste - und das schon das fünfte Jahr in Folge. 2020 soll die Wende nun aber endlich gelingen, verspricht Bankchef Christian Sewing.

Von Meike Schreiber und Jan Willmroth, Frankfurt

Es war ein Lacher am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos: "Is Growth an Illusion?", stand in bunter Schreibschrift an der Fensterscheibe der kleinen Filiale, welche die Deutsche Bank an der Promenade des Schweizer Bergstädtchens gemietet hatte, um dort mit Kunden oder Journalisten über die Deutsche Bank im Speziellen und die Weltwirtschaft im Allgemeinen zu diskutieren. Ist Wachstum also nur eine Illusion? Das gelte natürlich nicht für die Deutsche Bank, sagte Konzernchef Christian Sewing, der auf dem Forum versuchte, zahlreiche Kunden und Aktionäre von seinen real existierenden Wachstumschancen zu überzeugen.

Auf der Bilanzpressekonferenz am Donnerstag gab es allerdings noch keine Beweise dafür, dass Sewings Umbauplan für die Bank wirklich greift. Ein Minus von 5,7 Milliarden Euro, der fünfte Jahresverlust in Folge, schrumpfende Erträge in wichtigen Kernbereichen, statt Wachstum größtenteils Stagnation: Zwar hat die Bank ihre strategischen Ziele erreicht und den umbaubedingt hohen Verlust hat jeder kommen sehen - aber die Lichtblicke abseits davon sind bislang rar. So viel Mühe sich der Vorstand auch gibt, die Botschaft vom Aufbruch zu verbreiten, so schwach sind die Ergebnisse der Bank erneut ausgefallen. "Wir sind auf einem guten Weg, unsere Strategie greift", sagte Sewing. Sein Auftritt geriet erneut zu einer wortreichen Bitte um Geduld.

Wirklich neu ist das nicht: Auch das frühere Führungsduo Anshu Jain und Jürgen Fitschen und ab 2015 dann Sewings direkter Vorgänger John Cryan baten stets um Geduld. Und auch sie stellten immer wieder komplizierte Rechnungen an, wonach die Bank ohne all diese und jene Sondereffekte und Sonderkosten in naher Zukunft wieder ordentlich verdienen würde. Allein: Der Erfolg lässt auf sich warten. In der Lesart der aktuellen Bankführung war nun 2019 das Jahr, von dem an alles anders werden soll. Im vergangenen Juli beschloss der Vorstand einen weiteren großen Umbau, man wird weltweit 18 000 Stellen streichen und sich von Geschäftsbereichen wie dem Aktienhandel verabschieden, in dem die Deutsche Bank einst zur Weltspitze gehörte. Außerdem hat man einen großen Teil problematischer Wertpapiere und Kredite in eine interne Abbaubank ausgelagert, wo sie nun rasch verkauft werden sollen. Nur: Wird sich das auszahlen?

Das ist inzwischen eine Glaubensfrage. Noch ist davon wenig zu sehen: Lässt man alles außen vor, was die Bank unter dem Schlagwort "Transformation" verbucht, geben die Zahlen nicht viel Anlass zur Hoffnung. Die Erträge in der Kernbank - also den Geschäftsbereichen mit Zukunft - sanken um zwei Prozent auf 23 Milliarden Euro. Die Einnahmen in der Unternehmensbank, die den Kern der neuen Strategie ausmacht, blieben nahezu unverändert. In der Investmentbank schrumpften die Erträge um sieben Prozent und im deutschen Privatkundengeschäft nahm die Bank fünf Prozent weniger ein als im Vorjahr - ein deutliches Minus.

Immerhin aber wuchsen die Umsätze in der Vermögensverwaltung, gebündelt in der eigens börsennotierten Tochter DWS, mit einem Plus von sieben Prozent deutlich. Im Investmentbanking ging es dank der guten Entwicklung zumindest im Schlussquartal aufwärts. Zugleich erwies sich auch die harte Kernkapitalquote mit 13,6 Prozent als erstaunlich solide. Das Institut konnte sich über die interne Abbaubank schneller als erwartet problematische Wertpapiere losschlagen, was Eigenkapital freigesetzt hat. Damit nehmen die Kapitalmärkte die Deutsche Bank nun wieder als deutlich stabiler wahr als noch vor Jahresfrist, oder gar im Herbst 2016, als das Geldhaus fast in Schieflage geraten war. Für eigene Anleihen muss die Bank deshalb am Kapitalmarkt nun längst nicht mehr so hohe Zinsen zahlen. Auch die Prämien für Kreditausfallversicherungen sind gesunken. All das ist entscheidend dafür, ob das Institut im weltweiten Anleihehandel überhaupt noch mitspielen kann.

Und natürlich macht das Geldhaus keinen Hehl daraus, im Investmentbanking weiter dabei sein zu wollen - auch wenn die Bank-Führung zugleich betont, sich künftig auf das Geschäft mit der heimischen Wirtschaft zu besinnen. Das Investmentbanking mit Kunden in den USA aber spielt nach wie vor eine wichtig Rolle. Entsprechend warb die neue Vorstandsfrau Christiana Riley auch dafür, dass die Deutsche Bank an der Wall Street weiter Geschäfte macht - ein Terrain, das die Frankfurter erobern wollen, spätestens seit sie 1999 die US-Investmentbank Bankers Trust übernommen hatten.

Riley war erst im Juli zur Amerika-Chefin der Bank aufgestiegen. Die 41-jährige Amerikanerin, die seit Jahren für die Bank arbeitet und perfekt deutsch spricht, ist die einzige Frau im Vorstand, seitdem Regulierungschefin Sylvie Matherat und zuvor IT-Chefin Kim Hammonds die Bank verlassen mussten. Die größten deutschen Unternehmen wie SAP, Siemens und BMW verkauften in den USA nicht nur ihre Produkte, so Riley, sie nutzten auch die dortigen Kapitalmärkte, um sich zu finanzieren. Heute mache das US-Geschäft 20 Prozent der Erträge der Bank aus. Wie viel dabei unter dem Strich als Gewinn hängen bleibt, das wollte sie allerdings nicht sagen. Warum man in den USA nicht besser abgeschnitten habe in den vergangenen Jahren, wenn der Markt dort so attraktiv sei? Die Antwort sei einfach: "Weil es uns an Fokus mangelte. Wir haben uns zu viele Möglichkeiten offen gehalten, wir wollten alles für jeden sein". Genau das habe man nun geändert, konzentriere sich künftig auf die Bereiche, in denen man führend sei. Wird nun alles gut? Vor Steuern soll 2020 nun wieder ein Gewinn stehen, verspricht Sewing. Und immerhin: Der Aktienkurs stieg am Donnerstag um mehr als vier Prozent. Erstmals seit März 2019 kosteten die Papiere der Deutschen Bank wieder mehr als acht Euro.

© SZ vom 31.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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