Michelin:860 Jobs weg

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Der Reifenhersteller Michelin klagt über die harte Konkurrenz und schließt das Werk in Hallstadt in der Nähe von Bamberg. Jetzt wird über eine Transfergesellschaft gesprochen - die Frage ist, ob das reichen wird.

Von Uwe Ritzer, Bamberg

Der neue Mann redete nicht lange um die Probleme herum. Kaum hatte Jens Schlemmer, 48, im April 2018 seinen Job als Chef des Michelin-Standorts in Hallstadt bei Bamberg angetreten, mahnte er dort Verbesserungen an. Die Produktion müsse dringend stabilisiert werden und einige Beschäftigte des Reifenherstellers könnten im Zuge dessen ihre Jobs verlieren, sagte er. Schneller und effizienter mit neuer Technik arbeiten, komplexe Produkte schneller hinkriegen als andere Standorte des französischen Reifenkonzerns - wenn all das funktioniere, dann werde es aber wohl "keine drastische Entwicklung" geben, beruhigte Schlemmer damals.

Er sollte sich irren. Am Mittwoch gab Michelin bekannt, das Werk in Hallstadt bis 2021 zu schließen. Knapp 860 Beschäftigte verlieren ihre Arbeitsplätze. Ihnen versprach der Konzern mit Sitz in Clermont-Ferrand weitreichende Unterstützung, die je nach Einzelfall von der Weiterbeschäftigung an einem anderen Michelin-Standort bis zur Frühverrentung reichen werde. Mit Betriebsrat und Gewerkschaft wird über eine Transfergesellschaft gesprochen. 167 Millionen Euro will das Unternehmen ausgeben, um den Stellenabbau abzufedern.

Michelin begründet die Entscheidung mit sinkender Nachfrage und die wachsender Konkurrenz durch asiatische Hersteller. Das Werk in Hallstadt produziert für den europäischen Markt. In den vergangenen Jahren ging die Stückzahlfertigung in Hallstadt bereits drastisch zurück; von etwa 7,5 Millionen Reifen 2011 auf gut fünf Millionen im vergangenen Jahr. Vor allem der Absatz von Pkw-Reifen der Größe 16 Zoll brach drastisch ein.

60 Millionen Euro hat Michelin nach eigenen Angaben in den vergangenen Jahren in Hallstadt investiert, um das Werk zukunftsfähig zu halten. Aber: "Diese Bemühungen, verbunden mit dem Engagement des Teams, reichen nicht mehr aus, um den strukturellen Wandel des Pkw-Reifenmarktes in Europa auszugleichen", so das Unternehmen. "Andere industrielle Lösungen sind in diesem Kontext wirtschaftlich nicht tragbar."

Vor einem Jahr strich Michelin bereits in Karlsruhe 80 Stellen. Weltweit beschäftigt der Konzern 125 000 Menschen, davon 5400 in Deutschland. 2018 stellte Michelin 190 Millionen Reifen her. Mit 22 Milliarden Euro Umsatz ist der Konzern die Nummer zwei im globalen Reifengeschäft hinter Bridgestone.

© SZ vom 26.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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