Metro:Zurück zu den Anfängen

Lesezeit: 3 min

Lebensmittel für Gastronomen bringen Metro den meisten Ertrag. Seine Zukunft sucht der Konzern aber anderswo. (Foto: Patrik Stollarz/AFP)

Der Handelskonzern Metro will seine Elektronikmärkte von seinen Lebensmittelmärkten trennen. Das soll Kunden wie Investoren begeistern. Nur einem dürfte das nicht gefallen.

Von Varinia Bernau und Uwe Ritzer, Düsseldorf/Ingolstadt

Erich Kellerhals, 76, wurde kalt erwischt. Erst aus den Medien erfuhr der Milliardär aus Salzburg am Mittwochmorgen, was seine Feinde in Düsseldorf ausgeheckt hatten: Metro will sich aufspalten. Der Handelskonzern gleicht bislang einem großen Gemischtwarenladen und verkauft vom frischen Fisch bis zum 3-D-Fernseher alles Mögliche. Nun will er sein Großhandels- und Lebensmittelgeschäft in einer börsennotierten Gesellschaft bündeln. Das Elektronikgeschäft, also vor allem Media Markt und Saturn, soll in einer zweiten Gesellschaft landen.

Das ist ein Angriff auf Kellerhals, mit dem sich der Konzern seit Jahren über den Kurs bei Europas größtem Elektronikhändler streitet. Und es ist eine Wende in der Geschichte von Deutschlands größtem Handelskonzern. Das Unternehmen kehrt damit, das ist die Ironie dieser Geschichte, zurück zu seinen Anfängen - um seine Zukunft zu sichern.

Die neue Elektronik-AG soll "mehr sein als Media-Saturn", verspricht der Konzernchef

Entstanden war die Metro AG 1996 durch die Verschmelzung der Großhandelskette Metro und mehrerer anderen Handelsunternehmen. Kaufhof gehörte bis zum vergangenen Sommer zu diesem Sammelsurium, zeitweise auch der Schuhhändler Reno, die Baumarktkette Praktiker und die Adler-Modemärkte. Doch große Unternehmen, so sagte Konzernchef Olaf Koch nun, sind sehr komplexe Systeme. Träge. Unübersichtlich für Investoren. Nervig für Kunden. Auch deshalb hat Koch in den vergangen Jahren im Metro-Reich aufgeräumt. Nun wagt er den radikalsten Schritt: die Aufspaltung. Nur so könnten beide Gesellschaften den Freiraum haben, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. "Es wird keine Ablenkung mehr geben, kein rechts und links", verspricht Koch. Dafür, so darf man seinen Coup wohl werten, musste er sich mit Kellerhals anlegen.

Kellerhals ist der letzte verbliebene Firmengründer. Ihm gehören 21,6 Prozent von Media-Saturn, Metro gut 78 Prozent. Der Düsseldorfer Konzern kann aber trotzdem nicht nach Belieben durchregieren, weil Kellerhals über eine Sperrminorität in der Gesellschafterversammlung verfügt. Das Klima zwischen beiden Eigentümern ist vergiftet; seit fünf Jahren verklagen sie sich laufend wechselseitig.

Koch lässt keinen Zweifel daran, dass eine Aufspaltung des Konzerns die Situation für die Sparte Media-Saturn ziemlich verändern wird. Und nicht nur für sie. Auch Investoren will Koch so anlocken. Für sie sei künftig klarer, woran sie sich beteiligen - an einem Dienstleister für Gastronomen oder eben an einem Elektronikhändler. Das könnte zu frischem Kapital verhelfen, mit dem auch Übernahmen leichter gestemmt werden. Koch selbst will die Führung bei den Groß- und Lebensmittelmärkten. Sein Vorstandskollege Pieter Haas, der seit 2014 auch die Media-Saturn-Geschäfte führt, soll die neue Elektronik-AG führen. Allein das ist ein Affront: Kellerhals hält Haas für eine Fehlbesetzung und bekämpft ihn erbittert. Sei es mit wüsten Attacken auf seiner Internetseite oder vor Gericht.

Die Aufspaltungspläne seien bewusst so gestaltet worden, dass Kellerhals "keinerlei Störpotenzial" entfalten könne, sagte Koch. Man habe die Entscheidung der Metro "mit Interesse zur Kenntnis genommen" und werde deren weiteres Vorgehen "aufmerksam verfolgen", gibt sich ein Sprecher von Kellerhals gelassen.

Für die Sparte Media-Saturn, die mit ihren 65 000 Mitarbeitern etwa ein Drittel des Konzernumsatz beiträgt, könnte die Zukunft so aussehen: In einigen Jahren ist unter dem Dach der neuen Muttergesellschaft möglicherweise das eine oder andere zusätzliche Unternehmen angesiedelt. Die neue AG werde "mehr sein als Media-Saturn", sagt Koch. Je größer das neue Elektronik-Reich, desto geringer wird Kellerhals' Einfluss - ein angenehmer Nebeneffekt für Koch. Schließlich hält Kellerhals nur Anteile an Media-Saturn.

In der neuen Konstruktion könnten die Metro-Leute strategisch stärker als bislang an Media-Saturn und Kellerhals vorbei agieren. Zum Beispiel dann, wenn es um Zukäufe oder Partnerschaften geht. Was an Kellerhals' Widerstand innerhalb von Media-Saturn scheitert, könnte daneben etabliert werden.

Der Manager hat die Pläne über Monate in einem Kreis engster Vertrauter ausgearbeitet

Und die Großmärkte, die etwa die Hälfte zum Konzernumsatz beitragen, würden nicht mehr durch den Zwist zwischen Koch und Kellerhals belastet. Die Konzernsparte Cash & Carry betreibt in 25 Ländern etwa 750 Großhandelsmärkte, bei denen beispielsweise Gastronomen einkaufen. Sie war einst der Ursprung des Handelskonzerns. Und nicht wenige sehen dort auch die Zukunft. "Auch Cash & Carry beschreibt nicht mehr das, was wir in Zukunft sein werden", stellt Koch klar.

Der Manager tüftelt beispielsweise mit Start-ups in Berlin daran, neue Dienste für Gastronomen jenseits der Lieferung von Salatköpfen zu entwickeln. Mit Begeisterung zum Beispiel kann Koch von Lunchio berichten: einem Restaurantführer für die Mittagspause, deren Gründer Metro mit einem Schreibtisch, ein wenig Geld und ganz viel Ratschlägen unterstützt. Gestresste Büroangestellte können so ihr Gericht wählen und bereits bezahlen, der Gastronom sein Restaurant besser auslasten.

Es sind solche Dinge, die Koch im Kopf hat, wenn er nun von den neuen Freiräumen in beiden Teilen des einstigen Gemischtwarenladens spricht. Davon, dass dies am Ende auch den Kunden nutze. Weil sich die Unternehmen auch um ihre Bedürfnisse besser kümmern könnten.

Bis Mitte des nächsten Jahres soll alles über die Bühne gegangen sein. Koch hatte die Vorschläge über Monate in einem Kreis engster Vertrauter ausgearbeitet. Nur die Großaktionäre weihte er zuletzt ein, um sie mit ins Boot zu nehmen. Mit Erfolg: Die Familien Haniel, Schmidt-Ruthenbeck und Beisheim haben bereits ihre Zustimmung signalisiert.

© SZ vom 31.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: