Messe SXSW:Freibier in Texas

Lesezeit: 4 min

Daimler-Chef Dieter Zetsche holt eine Mini-Ausgabe der SXSW auf die Internationale Autobilausstellung in Frankfurt. (Foto: David Paul Morris/Bloomberg)

Warum immer mehr deutsche Firmen und Gründer die Digital-, Film und Musikmesse South By Southwest besuchen.

Von Kathrin Werner, Austin

Maria Driesel hat etwas Wichtiges erfunden, sagt sie. "In Laboren gibt es eine Fehlerquote von zwischen einem und fünf Prozent", sagt die 27-jährige Unternehmensgründerin. "Wir haben einen schlauen Container für Gewebeproben entwickelt und eine Maschine, die die Container verarbeitet." Verwechselte Blutproben sollen so eine Sache der Vergangenheit sein. Driesel ist aus München nach Austin gereist und steht nun beim Start-up-Wettbewerb auf der Bühne im German Haus, dem Treffpunkt der Deutschen auf der Digital-, Film und Musikmesse South By Southwest (SXSW). Die Jury stellt harte Fragen: Wie zahlt sich das aus? Sind Labore nicht zu konservativ für neue Technik? Driesel hat auf alles eine Antwort.

Ein deutsches Start-up nach dem anderen stellt sich vor, der Gewinner bekommt 30 000 Euro. Ein Gründer will einen Proteinriegel aus Insektenmehl verkaufen, zwei andere bauen eine App, die erreichen soll, dass man auch bei Motivationsschwäche ins Fitnessstudio geht. Driesels erst vor wenigen Wochen gegründete Firma Inveox gewann am Ende nicht. Aber die Messe lohnt sich so oder so für sie . "Wir haben total viel genetzwerkt", sagt Driesel. Sie hat spannende Leute kennengelernt, darunter auch viele Amerikaner. "In Deutschland sind wir schon ganz gut vernetzt, hier wollen wir Labore und andere Kundenkontakte in den USA knüpfen."

Die Deutschen haben die SXSW für sich entdeckt, Jahr für Jahr kommen mehr. Auf den Rolltreppen, in den Warteschlangen, im Kaffeeladen, im Zuschauerraum - überall hört man Deutsch auf der SXSW. Mehr als 1000 Deutsche sollen Medienberichten zufolge hier unter den Zehntausenden Besuchern sein, gefühlt sind es mehr. Die Lufthansa hat einen guten Teil von ihnen mit dem so genannten Flying Lab eingeflogen, eine Art Vorveranstaltung zur richtigen SXSW an Bord eines Flugzeugs, auf der es schon erste Vorträge gab.

Das German Haus ist nun schon zum achten Mal die Sammelstelle der Deutschen. Mit etlichen deutschen Sponsoren hat das Wirtschaftsministerium die Musikkneipe Barracuda zum Treffpunkt für alle gemacht, die sich für Technik, Musik und Film aus Deutschland interessieren. Nur einmal um die Ecke von der Sixth Street, Austins Ausgehmeile mit einer Livemusikbar neben der anderen, gibt es Konzerte und Podiumsdiskussionen, wo man meist einen leichten deutschen Akzent heraushört.

Auch viele Amerikaner schauen im German Haus vorbei

Deutschland präsentiert sich hier ziemlich hip: Der Tresen ist lang, die Barkeeper sind tätowiert, von der Wand schauen ein gestopfter Ziegenbockkopf und ein Karpfen auf die Deutschen hinab, sie sind ironisch gemeint. Broschüren des Wirtschaftsministeriums stecken in einem Plastikständer und stehen auf dem Retro-Zigarettenautomaten, so stören sie das Bild von der Coolness nur ein bisschen. Überraschenderweise sprechen die meisten Menschen hier Englisch miteinander, auch viele Amerikaner interessieren sich für Deutschland und schauen vorbei.

Und vor allem gibt es hier Freibier, die texanische Marke Lone Star in Dosen. Man kann im Hinterhof auf Gartenmöbeln in der Sonne sitzen und Leute kennenlernen. Denn darum geht es in Austin für viele in erster Linie: sich bei einem Bier treffen mit Menschen, die einem vielleicht mal weiterhelfen können oder die sich über ähnliche Themen Gedanken machen. Networking ist alles. Das German Haus hat die Laternenmasten der halben Stadt mit neongelben Werbeplakaten zugepflastert. Eine Facebook-Seite hat das German Haus auch. Abends stehen junge Leute Schlange. "Ich will Musik aus Berlin hören", sagt Zach Stevens, ein Musiker aus Austin, der für die Berlin/Brandenburg Interactive Night am Montagabend auf Einlass wartete. "Berlin ist so cool." Später treten die Bands Gurr, Magic Island, Slow Steve sowie Federico Albanese auf. Und deutsche Jungunternehmer nutzen das German Haus, um ihre Ideen vorzustellen.

Die Berliner Firma BigRep hat zum Beispiel einen mehr als mannshohen 3-D-Drucker aufgebaut und zeigt daneben eine Geige, für die der Drucker 26 Stunden lang gearbeitet hat. Es gibt diverse deutsche Whatsapp-Gruppen, in denen sich deutsche Start-up-Gründer, Journalisten, Werber und wer sonst noch möchte, miteinander verabreden. Über Whatsapp teilen sie Partytipps, wo man gerade wen treffen kann und wo es kostenloses Essen und Getränke gibt. Und auf Twitter gibt es für sie den Hashtag #sxswde. Die Deutschen sind jedenfalls überall. Im größten Konferenzzentrum der Stadt, dem Austin Convention Center, gibt es einen deutschen Pavillon mit Programm.

Und eine deutsche Firma war auch beim großen Start-up-Wettbewerb "Accelerator" der SXSW dabei: Horse Analytics aus Hannover, die Fitnessmessgeräte für Pferde erfunden hat, hat es als einziges deutsches Start-up ins Finale geschafft. "Texas ist ein Pferdeland", sagte die Gründerin Enri Strobel dem Magazin Wired. "Ich hoffe, durch den Wettbewerb hier Aufmerksamkeit zu generieren und Kontakte zu möglichen Investoren zu knüpfen."

Welche Bedeutung die SXSW erreicht hat, ist inzwischen auch bei Daimler angekommen. Konzernchef Dieter Zetsche kündigte eine Allianz mit dem Veranstalter der Messe an - er will sie nach Deutschland holen. Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt wird es einen SXSW-Ableger geben, den ersten außerhalb Deutschlands.

In der Halle der Daimler-Marke Mercedes gibt es dann neben Autos auch eine Sonderschau namens "Me Convention", in der es voraussichtlich um die Zukunft der Mobilität gehen wird. Die SXSW will auch Musik und andere noch geheime Dinge nach Frankfurt bringen "jenseits von allem, das man bei einer Veranstaltung der Autoindustrie vermuten würde", sagte Hugh Forrest, der SXSW-Programmdirektor.

In Austin gab es diverse Vorträge und Partys von Daimler, vor allem zu einem der großen Themen der diesjährigen SXSW: selbstfahrende Autos. Zetsche war selbst nach Austin gekommen - in Jeans und Cowboystiefeln, die er sich extra gekauft hat. Die muss man eigentlich erst eine Weile tragen, damit sie weich und bequem werden. Kein Problem für ihn, witzelte Zetsche. "Ich habe reingepinkelt.

© SZ vom 15.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: