Merkel kritisiert Zentralbanken:Das tut man nicht

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Scharfe Attacke: Weil Bundeskanzlerin Angela Merkel die Notenbanken kritisiert hat, gibt es international allergische Reaktionen.

Claus Hulverscheidt

Es waren gerade einmal vier kurze Sätze am Ende ihrer Rede - für die Korrespondenten der Financial Times (FT) und des Wall Street Journal bargen sie jedoch so viel Sprengstoff, dass es die Bundeskanzlerin am Mittwoch bis auf die Titelseiten der beiden führenden internationalen Wirtschaftszeitungen schaffte. "Merkel beschädigt Zentralbanken" lautete die Überschrift der britischen FT, und das nicht minder einflussreiche US-Konkurrenzblatt titelte, Deutschland gehe mit der US-Notenbank (Fed) "hart ins Gericht".

Da war noch alles in Ordnung: Kanzlerin Merkel und EZB-Präsident Trichet im Februar in Berlin. (Foto: Foto: ddp)

Merkel, so beide Zeitungen in seltener Eintracht, habe mit dem Tabu gebrochen, dass Mitglieder der Bundesregierung die großen Notenbanken nicht öffentlich kritisieren. Die "ungewöhnlich scharfe Attacke" zeige zudem, so die FT, dass die Kanzlerin die Bemühungen von Fed, Europäischer Zentralbank (EZB) und Bank of England (BoE) um eine Eindämmung der Wirtschafts- und Finanzkrise mit größter Skepsis betrachte.

Diese Einschätzung ist so richtig, wie sie falsch ist. Richtig ist, dass die Bundesregierung mit wachsendem Unbehagen registriert, dass vor allem die Fed und die BoE die ausgetrockneten Weltfinanzmärkte mit immer irrwitzigeren Summen und über immer weitere Schleusen fluten. Parallel dazu reift nämlich in vielen Hauptstädten die Erkenntnis heran, dass die Finanzkrise zwar durch Verwerfungen am US-Immobilienmarkt ausgelöst wurde, dass ihr eigentlicher Ursprung aber ein ganz anderer ist: die jahrelange, viel zu großzügige Geldpolitik insbesondere in den USA. Kann aber eine Krise, so die Frage, die durch ein Übermaß an Geld ausgelöst wurde, mit einem Übermaß an Geld bekämpft werden?

Schon wieder eine Blase

Merkel und vor allem Finanzminister Peer Steinbrück haben in den letzten Wochen gleich mehrfach darauf hingewiesen, dass damit die nächste Finanzblase geschaffen und die Inflation kräftig angeheizt werden könnte. Die Interpretation, die Kanzlerin lehne die Politik von Fed und BoE deshalb generell ab, ist dennoch falsch. Trotz aller Bauchschmerzen sehen auch die Spitzen der großen Koalition nach eigenem Bekunden keine Alternative zum Vorgehen der Notenbanken.

Was Merkel allerdings umtreibt, ist die Sorge, dass die EZB durch ihr Krisenmanagement politisiert und ihre Unabhängigkeit dauerhaft angekratzt werden könnte. Die Namen der Länder, die auf eine solche Gelegenheit nur warten, sind bekannt, an erster Stelle steht Frankreich. Mit dem Kauf von Pfandbriefen, so die Kanzlerin, habe sich die EZB "dem internationalen Druck schon etwas gebeugt". Dass dieser Druck auch von Berlin ausging, verschwieg Merkel - was das Dilemma nur umso deutlicher macht. Zum anderen fürchtet die Bundesregierung, dass Fed und BoE versucht sein könnten, ihre neuen Vollmachten - etwa für den Kauf von Staatsanleihen und toxischen Wertpapieren - nach dem Ende der Krise nicht wieder abzugeben. Auch das wäre aus Merkels Sicht langfristig eine Gefahr für die globale Wirtschafts-, Wechselkurs- und Geldwertstabilität.

Zu all diesen inhaltlichen Punkten kommt noch ein strategischer hinzu: Der Hinweis darauf, dass die Notenbanken heute Dinge tun, die zuvor unvorstellbar waren, dient Merkel auch als Rechtfertigung dafür, dass ihre Regierung und sie selbst im Zuge der Krise ebenfalls vom rechten Weg abgekommen sind. Bevor sie kurz auf die Geldpolitik zu sprechen kam, verwies die Kanzlerin nämlich ausführlich auf die Probleme der Politik im Umgang mit kriselnden Konzernen und auf die immens wachsende Staatsverschuldung. Auch hier waren die kurz- und die langfristigen Ziele der Politik zuletzt immer wieder miteinander in Konflikt geraten. Richtig kompliziert, so Merkel, werde es für alle Beteiligten erst, wenn die Krise überwunden sei. Dann nämlich werde es um die Frage gehen: "Schaffen wir es, auf den Pfad der Tugend zurückzukommen?"

© SZ vom 04.06.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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