Merkel bei Winterkorn:Ein lautes Schweigen

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Ein schwieriger Auftritt: Martin Winterkorn in Hannover - über seine Zukunft wird seit Freitag spekuliert. (Foto: Jochen Lübke/dpa)

Der VW-Chef Martin Winterkorn empfängt bei der Industriemesse in Hannover die deutsche Bundeskanzlerin und den indischen Premier - und übt sich in Normalität: Kein Wort zum Streit mit Ferdinand Piëch.

Von Elisabeth Dostert, Hannover

Martin Winterkorn, 67, ist früh dran. 15 Minuten bevor Kanzlerin Angela Merkel auf ihrem Rundgang auf der Hannover Messe bei VW haltmacht, betritt Winterkorn die Bühne. 15 Minuten sind viel Zeit im Terminplan eines Managers. Noch auf dem Weg zur Bühne hat er seinen Text studiert, kein Wort soll falsch sitzen. Winterkorn ist Perfektionist, er will wie immer gut vorbereitet sein.

Winterkorn steuert auf die beiden jungen Männer in hellgrauen Arbeitsanzügen zu, fragt nach ihren Namen. Es sind Rajeev Mishra und Suraj Shinde, zwei indische Auszubildende. Er plaudert, er lacht. Er dreht sich lange nicht um. Hinter seinem Rücken lauern die Journalisten. Er hält Abstand, mehr als nötig. Alle warten auf ein Wort. Sagt er was zur neuen "Distanz", die zwischen ihn und Firmenpatriarch Ferdinand Piëch geraten ist?

Winterkorn mag nicht mehr auf einer Stelle stehen. Er läuft um das Auto auf der Bühne herum, streichelt liebevoll über das Dach. Er öffnet die Vordertür und schaut hinein. Er schließt sie, öffnet sie wieder kurz, um sie noch einmal ins Schloss fallen zu lassen. Er öffnet die Hintertür, schließt sie, als könne er am Geräusch die Qualität der Verarbeitung erkennen. Er lacht. Autos und Technik machen dem Ingenieur wirklich Spaß.

Die Politik und VW - das ist ein ganz besonderes Verhältnis

Er muss sich beschäftigen. Er verschränkt die Arme vor der Brust und der Zweireiher spannt noch etwas mehr über dem Rücken. Er vergräbt mal eine, mal beide Hände in den Hosentaschen. 15 Minuten sind eine Ewigkeit, wenn man wartet. Dann endlich kommen die Kanzlerin und der indische Premier Narendra Modi. Sie begrüßen sich freundlich. Es sei ihm eine große Ehre, sagt Winterkorn. Dann redet er über Volkswagen und Indien. Mit fünf Marken und fünf Werken ist der Autokonzern im Land: VW, Skoda, Audi, MAN und Scania. Fünf Marken reichen offenbar für einen Riesenmarkt wie Indien. Winterkorn stellt der Kanzlerin Mishra und Shinde vor, die beiden Auszubildenden. Mishra arbeitet gerade bei VW in Salzgitter. Shinde kommt aus Pune, wo das Modell Vento hergestellt wird. "Ich bin stolz, ein Teil des Konzerns zu sein", sagt Shinde: "Ich gebe mein Bestes." Das gefällt Winterkorn.

"Gestern Abend haben wir lange über die duale Ausbildung gesprochen", sagt Winterkorn. Es gibt auch in solchen Zeiten einfache Themen. Gestern Abend, nach der offiziellen Eröffnung der Hannover Messe - da waren Modi, Merkel und die deutschen Industriebosse beim Abendessen. Auch das hat Tradition. Vermutlich haben sie auch mit und über ihn - Winterkorn - geredet, einen der mächtigsten Bosse Deutschlands.

Die Politik und Volkswagen - das ist ein besonderes Verhältnis. Der Konzern beschäftigt nicht nur fast 600 000 Menschen, viele davon in Deutschland. Das Land Niedersachsen hält auch 20 Prozent der Aktien. Merkels Vorgänger Gerhard Schröder war als Ministerpräsident des Landes lange im Aufsichtsrat des Unternehmens - und hatte als Autokanzler auch später immer ein Auge auf VW. Und auch Merkel ist immer wieder in Kontakt mit den VW-Oberen.

An diesem Montag plaudert die Kanzlerin über das Auto. Der Vento sei doch ein Mittelklassewagen in Indien, sagt sie. Das Stufenheck würde doch was hermachen. In Deutschland hat sich das Modell unter dem Namen Derby versucht, aber es kam bei den deutschen Kunden nicht an. In Indien wird der Vento dagegen gern als Chauffeur-Limousine gekauft. Das Modell hat die gleiche Plattform wie der Polo. Winterkorn geht zum Kofferraum des Vento und versucht, ihn zu öffnen. Aber es gelingt nicht. Der Auszubildende Mishra eilt zu Hilfe und zieht einen Hebel im Innenraum des Fahrzeugs. Winterkorn und Merkel bewundern den Kofferraum als sei es der Gipfel der Innovationskraft.

Es dauert nicht lange, dann sind Merkel und Modi weg. Winterkorn redet noch mit Mitarbeitern und hält immer noch Abstand zu den Journalisten. Nach ein paar Minuten verlässt er die Bühne - durch den Seitenausgang.

© SZ vom 14.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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