Mehrwertsteuer-Betrug:Lästige Lücke

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Wegen Betrug und Tricks entgehen den EU-Staaten insgesamt 137,5 Milliarden Euro Mehrwertsteuern. Am größten sind die Probleme in Italien, der Finanzminister muss auf fast 34 Milliarden verzichten. Brüssel will das Problem nun verstärkt angehen.

Von Björn Finke, Brüssel

Es ist eine kleine Verbesserung, doch der Schaden bleibt groß: Im Jahr 2017 entgingen EU-Staaten geschätzt 137,5 Milliarden Euro an Mehrwertsteuern. Das ergibt sich aus einer Studie, welche die EU-Kommission am Donnerstag in Brüssel vorstellte. Im Jahr davor waren es sogar gut 145 Milliarden Euro gewesen. Für 2018 liegen nicht genug Daten für eine genaue Schätzung vor, aber es sieht so aus, als würde diese Mehrwertsteuerlücke auf unter 130 Milliarden Euro sinken. Es wäre dann schon das sechste Jahr in Folge mit Verbesserungen.

Fachleute berechnen die Lücke, indem sie volkswirtschaftliche Daten der Mitgliedstaaten zum Konsum heranziehen und darauf die geltenden Steuerregeln anwenden. Das Ergebnis zeigt, wie hoch die Einnahmen aus der Umsatzsteuer sein müssten, wenn alles mit rechten Dingen zuginge. Doch das tut es selten, und daher existiert eine Lücke zwischen den erwarteten und den tatsächlichen Einnahmen.

Gründe dafür sind Betrug - etwa durch sogenannte Umsatzsteuer-Karusselle -, Schlampereien der Behörden, Pleiten von Steuerschuldnern oder die raffinierten Steuervermeidungs-Tricks vieler Konzerne. Für Finanzminister ist die Mehrwertsteuer eine wichtige Einnahmequelle, daher schmerzt diese Lücke. Der für Steuerfragen zuständige EU-Kommissar Pierre Moscovici sagte, "Mitgliedstaaten können es sich nicht erlauben, untätig zu bleiben, während ihnen durch Karussellbetrug und systemimmanente Unstimmigkeiten Milliarden verloren gehen".

Schweden, Luxemburg und Zypern machen es Kriminellen besonders schwer

Zwischen den Ländern existieren allerdings große Unterschiede: In Deutschland betrug die Lücke 2017 etwa 25 Milliarden Euro. Das entspricht zehn Prozent der eigentlich zu erwartenden Umsatzsteuer-Einnahmen. Die Bundesrepublik ist einer von nur drei Staaten, in denen die Lücke im Vergleich zu 2016 wuchs, jedoch bloß um 0,2 Prozentpunkte. Am heftigsten ist die Lücke in Rumänien, wo dem Fiskus 36 Prozent der Mehrwertsteuer entgehen. Griechenland folgt mit 34 Prozent, Litauen mit 25 Prozent. Sehr schwer haben es Betrüger und Steuertrickser offenbar in Schweden, Luxemburg und Zypern, wo nur ein Prozent der Einnahmen fehlten.

Malta, Polen und Zypern gelang es, ihr Defizit innerhalb eines Jahres kräftig zu verringern, um vier bis sieben Prozentpunkte. Wird nicht die prozentuale Lücke betrachtet, sondern der tatsächliche Schaden in Euro, ist Italien das Land mit den größten Problemen. Der Finanzminister des hoch verschuldeten Euro-Staates musste auf annähernd 34 Milliarden Euro verzichten.

Dass die Lücke für die gesamte EU 2017 kleiner wurde, liegt nach Ansicht der Kommission unter anderem an neuen Regeln für den Onlinehandel, die in Europa eingeführt wurden. Brüssel erwartet weitere Verbesserungen dadurch, dass sich Mitgliedstaaten im vergangenen Jahr darauf geeinigt haben, mehr Daten auszutauschen und stärker im Kampf gegen Steuerbetrüger zusammenzuarbeiten. Kommissar Moscovici warb aber für eine umfassende Reform des Mehrwertsteuer-Systems. Vorschläge dafür hat seine Behörde bereits vor zwei Jahren präsentiert.

© SZ vom 06.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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