Mehr Energiewende:Strom vom Dach

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Grüne Landesminister fordern mehr Photovoltaik auf Einfamilienhäusern und Gewerbeimmobilien.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Neue Wohngebäude in der EU müssen künftig alle Solardächer haben. Dies soll beim Abschied von russischer Energie helfen. (Foto: imago stock&people/imago stock&people)

Aus der Luft besehen ist ganz Deutschland ein einziges Solar-Potenzial. Allein die Dächer böten 800 Quadratkilometer Platz für Solarmodule, und auch mit modernen Fassaden ließe sich noch Strom erzeugen. Das Zwölffache der Kapazität, die derzeit an Ökoenergie installiert ist, ließe sich an und auf Häusern anbringen, fanden Fraunhofer-Forscher heraus. Allein, die Sache läuft nicht recht. Zwar werden jeden Monat um die 600 neue Dachanlagen angemeldet. Doch vor allem in den Städten, wo Dach neben Dach steht, fristet die Sonnenergie, nun ja, ein Schattendasein.

Neun grüne Landesenergieminister und -senatoren wollen das ändern. In einem Schreiben an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) fordern sie eine wahre Solar-Offensive. "Die vor uns liegenden Monate sind als 'Herbst der energiepolitischen Entscheidungen' angekündigt", heißt es in einem gemeinsamen Brief der neun. "Wir hoffen, dass darunter auch solche sind, die Fortschritte für den Ausbau der Photovoltaik bringen." Das Schreiben liegt der Süddeutschen Zeitung vor - nebst einem Positionspapier, das Altmaier Tipps für die Umsetzung geben soll.

Denn während sich die Bundesregierung leidenschaftlich mit der Erreichung ihrer Klimaziele beschäftigt, geht es mit dem wichtigsten Instrument dafür bergab: der Energiewende. Vor allem der Ausbau der Windenergie ist ins Trudeln geraten: Mal fehlen Flächen, mal Baugenehmigungen, mal legen sich Behörden quer, mal Gerichte. Nach Zahlen der Fachagentur Windenergie an Land hängen derzeit mehr als 2000 Windräder in den Warteschleifen von Behörden und Gerichten. Gleichzeitig aber peilt die Bundesregierung einen Ökostrom-Anteil von 65 Prozent bis 2030 an, erreicht sind erst 40 Prozent. Und der Bedarf an Strom dürfte mit der E-Mobilität noch wachsen.

Ein Modell: Eigentümer könnten selbst erzeugte Solar-Energie an die eigenen Mieter verkaufen

Ein Ausweg sei die Photovoltaik, werben die grünen Landespolitiker. "Ihr Ausbau auf oder an Gebäuden ist (...) vergleichsweise anwohnerfreundlich", heißt es in dem Papier. Auch für die Beteiligung von Bürgern oder Mietern biete sie sich an. So ähnlich hatte sich die vorherige Bundesregierung das auch schon gedacht - und "Mieterstrom-Modelle" eingeführt. Damit sollten Vermieter auf ihren Dächern Solarstrom erzeugen können, den sie dann an ihre Mieter verkaufen. Nicht nur die Besitzer von Einfamilienhäusern auf dem Land, sondern auch Mieter und Vermieter sollten so vom Sonnenstrom profitieren.

Suchen muss man die Projekte aber mit der Lupe, seit Einführung wurden so Solaranlagen mit einer Leistung von 15 Megawatt installiert - in ganz Deutschland. Das entspricht der Leistung von drei größeren Windrädern. "Mieterstrom-Projekte sind heute eine Sache für Überzeugungstäter", sagt Tim Meyer, Vorstand der Düsseldorfer Naturstrom AG. "Rein wirtschaftlich lohnen sie sich in vielen Fällen nicht." Die Förderung sei zu niedrig, der Weg bis zur Inbetriebnahme unnötig schwierig. "Die ganze Regulierung ist unfassbar kompliziert", sagt Meyer, dessen Firma an einem halben Dutzend solcher Projekte arbeitet.

Auch die grünen Ministerinnen und Minister verlangen massive Erleichterungen für den Mieterstrom. So müsse es möglich werden, auf diese Weise nicht nur Häuser, sondern ganze Viertel zu versorgen. Faktische Größenbegrenzungen für die Anlagen müssten schwinden, und auch die Dächer von Gewerbeimmobilien, etwa Supermärkten, müssten dem Mieterstrom offen stehen. "Wenn wir die Klimaziele erreichen und den Kohleausstieg stemmen wollen, müssen wir den Anteil der Erneuerbaren bei der Stromerzeugung in nur elf Jahren verdoppeln", sagt Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). Dazu brauche die Solarenergie, die bisher knapp neun Prozent des Stroms liefert, einen höheren Stellenwert. "Vor allem in den Städten liegt viel Potenzial", sagt Pop. Aber auch für Solarparks auf dem Land verlangen die Minister einen neuen Aufbruch.

Bei Altmaier sind sie mit dem Appell richtig. Er hatte unlängst selbst schon Änderungen an den Regeln zugesagt - möglicherweise seien die Regeln zu restriktiv, gestand er in einem Schreiben ein. Allerdings waren sie in seiner Amtszeit sogar noch verschlechtert worden. Schon 2012, als Umweltminister, hatte sich Altmaier massiv dafür eingesetzt, die Kosten der damals noch recht teuren Photovoltaik zu senken - und dafür auch eine starke Senkung der Förderung durchgesetzt. In diese Zeit fällt auch der sogenannte "Ausbaudeckel": Nur bis zu einer Gesamtleistung von 52 Gigawatt sollten private Solaranlagen noch gefördert werden. Ende 2018 waren schon knapp 46 Gigawatt installiert. Das Ende dieser Art Förderung naht also.

Allzu harsch wollen die Grünen den CDU-Mann aber nicht angehen. "Wir bieten Ihnen gern eine intensive Zusammenarbeit an", schreiben sie. Schließlich gehe es darum, "ein bisher ungenutztes Potenzial zu heben".

© SZ vom 26.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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