Medien:Eine Klasse für sich

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(Foto: Henning Kaiser/dpa)

15 Jahre lang schrieb der Werbeprofi Martin Suter die Kolumne "Business Class" - die ihn nicht nur berühmt, sondern auch reich machte. Jetzt belebt er sie neu - im Netz.

Von Isabel Pfaff

Martin Suter zählt nicht zu den Schriftstellern, die neues Publikum dringend nötig hätten. Der 71-jährige Schweizer ist einer der erfolgreichsten Autoren im deutschsprachigen Raum, seine bislang veröffentlichten 15 Romane sind internationale Erfolge, hinzu kommen jede Menge Theaterstücke, Drehbücher, Songtexte. Doch es gibt auch im Leben eines Martin Suter Unerreichtes.

Es hat mit dem Bild zu tun, das sich Suter bietet, wenn er in die Tram, die Bahn oder den Flieger steigt: überall Bildschirme, fast nirgendwo mehr ein Buch. "Das hat mich einfach gefuchst. Ich wollte auch mal etwas schreiben, was man auf einem Bildschirm liest", erklärt Suter. Und so kann man ihn seit wenigen Tagen online lesen: auf seiner neuen Website, gegen Bezahlung. Sechs Franken oder fünf Euro kostet das Monatsabo, fürs Zehnfache erhält man einen Jahreszugang. "Exklusivitäten" kündigt Suter an, vor allem die Wiederauflage seiner legendären Manager-Kolumne "Business Class". 15 Jahre lang war diese in Schweizer Magazinen erschienen, satirisch-böse Momentaufnahmen aus dem Alltag von wichtigen und weniger wichtigen Managern, bis Suter sie 2007 einstellte. Zuletzt hatte er für jede Kolumne 2400 Franken erhalten.

Ob er jetzt mit seinen recht günstigen Abonnements auf ein ähnlich überirdisches Honorar kommen wird, darf bezweifelt werden. Doch das schreckt den Mann mit dem bedächtigen Zürcher Zungenschlag nicht. "Ich dachte einfach, ein Abo muss weniger als eine Schachtel Zigaretten kosten." Er wolle das jetzt mal probieren - und auch wieder einstellen, wenn er am Ende drauflegen muss. "Ich betreibe das ja nicht als Hobby."

Martin Suter hat als Werbetexter angefangen, mit Mitte 20 war er bereits Kreativchef einer renommierten Werbeagentur in Basel, später sogar Co-Chef einer eigenen Agentur. Er kennt die Business Class, der er sich nun wieder widmen möchte, aus eigener Anschauung - und verdankt ihr wohl nicht zuletzt sein Faible für perfekt sitzende Anzüge und nach hinten gegeltes Haar.

Wahrscheinlich ist Suters Zeit in der Welt der Wirtschaftsbosse auch verantwortlich dafür, wie er auf seinen heutigen Beruf blickt: relativ unsentimental nämlich. In Interviews spricht der Schweizer ohne Scheu über Geld und seine Freude darüber, dass er genug hat. Aber auch über die sinkenden Verkaufszahlen seiner Bücher, die ihm Sorge bereiten, Bestseller hin oder her. Suters neuer Auftritt im Internet, das gibt er unumwunden zu, ist auch Folge simpler wirtschaftlicher Überlegungen.

Doch abgesehen davon hat der bis vor Kurzem Social-Media-abstinente Schriftsteller Spaß an den Möglichkeiten des Digitalen gefunden. Seit November 2018 hat Suter einen Twitter-Account und verschickt von dort täglich einen gereimten Vers. Seine Gedichte sind mal vier, mal acht Zeilen lang, mal brüllend komisch, mal leise und zart. So schnell und so geschickt eroberte Suter die Twitterwelt, dass ihn sein Verlag Diogenes im Glauben, es handele sich um einen Fake-Account, kurzzeitig sperren ließ. Inzwischen ist alles wieder gut, Suter dichtet weiter, misst sich sogar mit anderen Twitter-Poeten im #poesiepingpong.

Und, Suter wäre nicht Suter, wenn es anders wäre: Er nutzt seine Tweets immer wieder auch für PR. In Versform verschickt er etwa wohlwollende Rezensionen, Lob von anderen Twitternutzern - und bewirbt, natürlich, sein neues Bezahlangebot im Netz. Zunächst mit ein wenig Understatement ("Stimmt, ich kann es kaum erwarten, / Dass wir diese website starten. / Eine Frage steht im Raum: / Wird sie reimen? Ich glaub kaum"), dann ziemlich direkt ("Liest du gerne, komm / zu martin-suter.com"). Martin Suter aus der Business Class: Er kann seine Herkunft nicht verleugnen.

© SZ vom 07.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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