Maschinenbau:Ausgetanzt

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Die Angst vor einer Rezession wächst. Das Wohl der Branche hängt stark vom Export ab, und Handelskriege und Protektionismus bedrohen das Geschäft. Von Angst wollen die Unternehmer nicht sprechen.

Von Elisabeth Dostert, Berlin

Karl Haeusgen sitzt im Zug nach Berlin. Er fährt zum Maschinenbau-Gipfel, ein wichtiger Branchentreff für die deutschen Hersteller von Maschinen und Anlagen. Immer wieder bricht das Telefonat mit ihm ab. "Da sehen Sie es", sagt der Familienunternehmer. Wie viele von ihnen regt ihn die "schlechte digitale Infrastruktur" auf. Die Bundesregierung müsse mehr in diese investieren, wenn Deutschland die Digitalisierung packen und wettbewerbsfähig bleiben wolle, findet er.

Familienunternehmer Karl Haeusgen. (Foto: Christian Kaufmann/oh)

Auf dem Gipfel in Berlin wird die Digitalisierung nur eines von vielen Themen sein. Am Vormittag soll Angela Merkel sprechen. Die Kanzlerin ist eine fleißige Besucherin der Hannover-Messe. Beim Maschinenbau-Gipfel war sie in ihrer gesamten Amtszeit bisher nur einmal, das war im Oktober 2008. Wenige Wochen zuvor war die US-Bank Lehman pleitegegangen und die Welt in schwere Turbulenzen geraten. "Wirtschaft- und Industriepolitik sind sicher nicht die Leidenschaft der Kanzlerin", sagt Haeusgen, der auch Vizepräsident des Maschinenbauverbandes VDMA ist. "Aber die Wirtschafts- und Finanzkrise, das hat sie damals wirklich gut gemacht." Deutschland sei ohne große soziale Verwerfungen durch die Krise gekommen. "Das ist keinem anderen Land so gelungen."

Nun droht wieder eine Rezession. Und die Angst ist zu spüren beim Maschinenbau-Gipfel. Eine kurze Online-Umfrage zeigt, dass mehr als die Hälfte der Teilnehmer in den nächsten sechs Monaten mit einer Verschlechterung der Geschäftslage rechnen. Das ist deutlich. "Die Party ist noch nicht vorbei, aber man sollte nahe am Ausgang tanzen", sagt VDMA-Präsident Carl Martin Welcker. Einige Male musste der Verband seine Prognose bereits korrigieren. Binnen weniger Monate drehte sie um vier Prozentpunkte vom Positiven ins Negative. Mittlerweile rechnet der VDMA für das Gesamtjahr mit einem Produktionsrückgang um real zwei Prozent, für 2020 mit "viel Optimismus" mit einem Minus in gleicher Höhe. "Noch ist unklar, ob wir uns nur in einer konjunkturellen Schwächephase oder am Beginn einer echten Rezession befinden." Ein schneller Aufschwung sei definitiv nicht in Sicht.

Die Zahlen seien das Ergebnis einer "unguten Gemengelage", sagt Welcker. Sorgen bereiten den Firmen die Entwicklungen in den USA und China, den beiden wichtigsten Märkten für die Branche. "Beide stellten den internationalen Handel, gar die internationale Zusammenarbeit, mehr und mehr infrage", sagt der VDMA-Präsident. Die Branche hätte lernen müssen, dass auch kurze Tweets aus Washington und Interviews von Botschaftern sich früher oder später in den Auftragsbüchern niederschlagen könnten. Namen nennt Welcker auf der Bühne nicht. Ohnehin weiß jeder im Saal von wem er redet - von US-Präsident Donald Trump und US-Botschafter Richard Grenell.

Auch Angela Merkel macht sich Sorgen um die Konjunktur, die Entwicklung sei "besorgniserregend". Die Lage werde durch internationale Handelskonflikte verschärft, sagt sie in ihrer Rede. "Wir sehen hier erhebliche Risse in einer für uns eigentlich schon selbstverständlich gewordenen Weltsicht, dass es Win-Win-Situationen gibt, wenn Länder auf der Welt partnerschaftlich sehr barrierefrei zusammenarbeiten." Diese Muster würden infrage gestellt. Wenn jeder nur noch an sich denke, werde diese Welt schwächer und ärmer werden, sagt Merkel. Und: "Deshalb werde ich mich weiter dagegenstemmen." Auch die Kanzlerin redet über Trump, ohne seinen Namen zu nennen. Er ist einer der Männer, die das Geschäft der deutschen Firmen gefährden.

Doch man kann den deutschen Maschinenbau nicht in einen Topf werfen: In manchen Branchen läuft es noch gut, in anderen schon nicht mehr. Stefan Brandl, Chef des Familienunternehmens EBM-Papst aus Baden-Württemberg, muss ein wenig ausholen. Die Gruppe mit knapp 2,2 Milliarden Euro Umsatz und weltweit 15 000 Beschäftigten stellt Ventilatoren her. Sie stecken in Autos, Kühlgeräten und Rechenzentren. "Die Lage ist sehr differenziert", erklärt Brandl. Gut laufe das Geschäft mit den Anbietern großer Rechenzentren wie Amazon und deren Zulieferern. Rechenzentren schössen "wie Pilze" aus dem Boden und die müssten gekühlt werden. "Gewisse Unsicherheiten" beobachtet der Firmenchef dagegen in der Heiztechnik. Unternehmen warteten mit Investitionen ab, weil sie noch nicht wüssten, mit welchen Steuererleichterungen zu rechnen seien. Erhebliche Probleme sieht Brandl durch den Brexit in Großbritannien, dem ihm zufolge größten Markt für Gasheiztechnik. Den Herstellern von Hausgeräten wie BSH und Miele mache die Konkurrenz aus Asien zu schaffen, auch das spürt die Gruppe. Deutliche Zurückhaltung sieht Brandl bei den Abnehmern im Maschinenbau. Aber auch er bleibt gelassen. "Nach vielen Jahren der Hochkonjunktur ist eine solche Abkühlung normal, auch wenn sie eine gewisse Zeit dauern wird." Jahre mit Wachstumsraten von im Schnitt sieben, acht Prozent seien allerdings vorbei. Für das Geschäftsjahr 2018/2019 rechnet er mit einem Plus von zwei Prozent.

Mitarbeiter des Windkraftanlagenbauers Nordex in Rostock: Hier fertigen sie Rotornaben für Hochleistungsturbinen. (Foto: Bernd Wüstneck/dpa)

Auch für Karl Haeusgen und seine Familienfirma Hawe Hydraulik laufen die Geschäfte schlechter als erwartet. Das Unternehmen mit 2470 Mitarbeitern liefert Komponenten für andere Hersteller von Maschinen und Anlagen. Überall, wo schwere Lasten bewegt werden müssen, kommt Hydraulik zum Einsatz. "Anfang des Jahres hatten wir für 2019 mit einem leichten Wachstum gerechnet, nun werden wir wohl auf dem Vorjahresniveau von rund 360 Millionen Euro landen", sagt Haeusgen. Einschließlich eines in diesem Jahr übernommenen Unternehmens würden es wohl 420 Millionen Euro werden. Doch auch Haeusgen klingt gelassen. "Wir hatten jetzt auch zwei, drei gute Jahre." Klingt so, als sei er konjunkturelle Zyklen gewohnt, die normalen Schwankungen der Nachfrage. "Wenn es nur die Konjunktur wäre, könnten wir im dritten oder vierten Quartal nächsten Jahres schon den Wendepunkt sehen." Sollten sich die Handelskonflikte verschärfen, dann könnte sich die Flaute aber auch noch länger hinziehen.

© SZ vom 16.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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