Maschinen müssen lernen:Eckige Bewegungen

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Wahrnehmung ist eines von vielen Problemen, die noch zu lösen sind. Erst dann können sich Roboter auf unbekanntes Terrain wagen.

Von Helmut Martin-Jung, München

Wie er in dem Video auf Youtube so daherstapft, der menschenähnliche Roboter Atlas, traut man ihm einiges zu. Doch wer die Aufmerksamkeit ein wenig von der tatsächlich faszinierenden Maschine weglenkt, dem fällt auf: Die Tür, die Atlas so zielsicher ansteuert, ist ebenso mit einem (auch noch recht überdimensionierten) QR-Code versehen wie die Schachtel, die er mit eher eckigen Bewegungen vom Boden in ein Regal befördert. Ohne die maschinenlesbaren Symbole hätte der Blechtrottel die Türe gar nicht gefunden - oder zumindest nicht so leicht.

Wahrnehmung ist eines von vielen Problemen, das die Robotik noch zu lösen hat. Ein großer Teil des Supercomputers, den alle Menschen mit sich herumtragen - des Gehirns - beschäftigt sich damit. Und das aus gutem Grund. Denn es ist eben nicht so leicht, die Umwelt zu erkennen, ständig einzuordnen und zu bewerten. Die in Millionen Jahren der Evolution entwickelten biologischen Hirne sind in diesem Punkt der vom Menschen entwickelten Technik noch weit überlegen. Sogar eine Biene mit ihrem winzigen Hirn findet Blüten, von dort aus zum Stock zurück und kann dort sogar noch den Artgenossen mitteilen, wo es Nektar zu finden gibt.

Als größte Herausforderung sehen Experten wie der Bonner Robotik-Experte Sven Behnke die Software, welche die Roboter steuert. Da geht es etwa um Algorithmen, mit denen die künstlichen Hirne ihre Umgebung wahrnehmen oder Erfahrungen sammeln. Dabei immerhin haben es die Roboter einfacher als der Mensch. Sie brauchen zwar lange, um selbst etwas zu lernen, doch um das Wissen weiterzugeben, müssen sie nicht jahrelang in eine Roboterschule gehen. Sie bekommen einfach neue Software eingespielt und fertig. Was Roboter A gelernt hat, wissen Roboter B und alle anderen baugleichen Maschinen kurz darauf auch.

Aber auch die Mechanik ist keineswegs trivial. Und dabei ist nicht wie bei Software mit raschem Fortschritt zu rechnen, denn es braucht eben gewisse Kräfte, um ein Gelenk zu bewegen. Das erfordert einen beträchtlichen Aufwand bei der Konstruktion und bei der Wahl der Materialien. Und um eine sich bewegende Maschine auf allen möglichen Untergründen stabil zu halten, müssen pro beweglichem Teil zigmal pro Sekunde Steuerbefehle an die entsprechenden Motoren gesendet und gegebenenfalls ausgeführt werden.

Wo Roboter dagegen schon heute ihre Stärken ausspielen, ist in klar umgrenzten Gebieten. Aus der Fertigung sind die unermüdlichen und hochpräzisen Maschinen längst nicht mehr wegzudenken. Aber auch in der Logistik ist zu erwarten, dass die Automatisierung mehr und mehr Einzug halten wird. Je ausgereifter ihre Fähigkeiten werden, die Umwelt zu erkennen, desto häufiger werden sie mit Menschen kooperieren, etwa in Form eines Exoskeletts. Das ist eine Art Anzug, den ein Mensch anlegt und der ihm übermenschliche Kräfte verleiht. Oder Gelähmte wieder gehen lässt - solche Geräte werden bereits in Reha-Einrichtungen verwendet.

Nach wie vor tun sich Roboter aber extrem schwer, wenn sie sich auf unbekanntem Terrain bewegen und mit allen Arten von Unwägbarkeiten zurechtkommen müssen. Einen Roboter, der etwa Sprachbefehle mehrmals hintereinander nicht versteht, der ewig braucht, bis er etwas zustande bekommt, wird man bald wieder aus dem Haushalt verbannen. Bis wirklich funktionierende maschinelle Butler lieferbar sind, die tatsächlich mehr nützen als dass sie Aufwand verursachen, müssen es dann eben weiter der automatische Rasenmäher und der selbstfahrende Staubsauger tun.

© SZ vom 14.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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