Manufaktur in Großbritannien:Filigrane Flinten

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Viele Briten jagen gern, verwenden aber meist billige Gewehre aus dem Ausland. Ein englischer Familienbetrieb hält dagegen.

Von Björn Finke, Northampton

Auf der Palette neben einer Maschine lagern lange Stahlbarren. 27 Kilogramm wiegt jeder von ihnen. Nicht weit davon entfernt, in derselben Ecke der Fabrikhalle, stehen fertige Gewehrläufe in einem Gestell, jeweils zwei miteinander verbunden. Sie wiegen nur 1,3 Kilo, doch jeder Doppellauf wurde aus einem der schweren Stahlbarren geschaffen. Die Maschinen - große, graue Kästen - fräsen und bohren die Doppelläufe aus einem Stück. In einem anderen Teil der Halle liegen auf einem Tisch Metallplatten mit aufwendigen Gravuren: ineinander verwobene Blumen, dazu Vögel. Die Platten werden später an die Gewehrkolben aus türkischem Walnussholz geschraubt.

In einem Nebenraum stapeln sich Hunderte Stücke Walnussholz auf Regalen. Bei manchen Klötzen ist schon die Form des Kolbens eingezeichnet. "Die Hölzer haben sich mein Mann und ich bei unserem Lieferanten selbst ausgesucht", sagt Elaine Stewart. "Der Lieferant sitzt in den Bergen in der Südost-Türkei, nahe der syrischen Grenze. Der Besuch war ein bisschen unheimlich." Elaine und ihrem Gatten James Stewart, beide Mitte fünfzig, gehört die kleine Fabrik in Northampton, einer Stadt 100 Kilometer nördlich von London. Ihr Unternehmen Longthorne Gunmakers fertigt mit zwölf Beschäftigten Schrotflinten für Jäger und Tontaubenschützen.

Ein fertiges Gewehr: Die Flinten made in England kosten zwischen 18 000 und 38 000 Euro. Eine Herrscherfamilie aus dem Nahen Osten kaufte gleich sechs Gewehre. (Foto: privat)

Und das noch nicht lange: Erst 2010 verkauften die Stewarts ihr erstes Gewehr, seitdem haben sie annähernd 200 produziert. Die kosten zwischen 18 000 und 38 000 Euro. Zu den Kunden gehört auch eine Königsfamilie aus dem Nahen Osten, die gleich sechs Flinten abnahm.

Eine Gewehrfabrik zu gründen, zeugt von Mut. Auf die Jagd zu gehen, ist zwar weiterhin sehr beliebt in Großbritannien, doch die meisten Schützen kaufen billige Flinten aus dem Ausland, etwa aus Italien oder der Türkei. Solche Waffen kosten lediglich wenige Tausend Euro.

Der Gründer entwickelte ein neues Verfahren, um Doppelläufe herzustellen

Im Königreich hat darum nur eine Handvoll Luxus-Gewehrschmieden überlebt, für deren maßgefertigte Flinten oft sechsstellige Beträge fällig sind: Die Edelmarke Purdey ist eine Tochter des Schweizer Richemont-Konzerns, Rivale Holland & Holland gehört Chanel aus Frankreich, dazu kommen Boss & Co. und Westley Richards. Die Gewehre des Neulings Longthorne sind viel teurer als Importe und viel billiger als einheimische Luxusflinten. Genügend Jagdfreunde scheinen auf so ein Angebot gewartet zu haben, denn die Nachfrage nach den vergleichsweise günstigen Schießeisen made in England wächst. "Viele Kunden empfehlen uns weiter oder sie kaufen noch eine zweite Flinte bei uns", sagt Unternehmenschef James Stewart.

Seine Frau und er führten viele Jahre lang einen Zulieferbetrieb, der Teile für die Autoindustrie und für Waffenfirmen fertigte. Doch James Stewart wollte nicht immer nur Einzelteile, sondern auch einmal ein komplettes Produkt herstellen - und er ist begeisterter Schütze, "selbst wenn ich heute keine Zeit mehr fürs Jagen habe", wie der Manager sagt. Darum begann er 2006 nebenher, am Design für eine Schrotflinte zu tüfteln. Dabei entwickelte er ein neues Verfahren, um Doppelläufe herzustellen. Traditionell werden hierfür zwei Läufe zusammengelötet, aber dadurch können sich diese leicht verziehen. "Ich wollte mehr Akkuratesse, und die naheliegende Lösung des Problems war, beide Läufe zusammen aus einem großen Stahlstück zu fertigen", sagt Stewart. Die Idee ließ er sich per Patent schützen.

Erst 2010 konnten der Tüftler und seine Frau ihr erstes Gewehr auf einer Messe präsentieren. Ihre Tochter Chloe arbeitet ebenfalls im Betrieb mit. Sie kümmert sich um die filigranen Gravuren. Die Flintenfabrik der Familie, nur ein Schuppen, war bald zu klein, und nach langer Suche fand das Trio den neuen, größeren Standort, in dem das Unternehmen seit einem guten Jahr fertigt. Insgesamt investierten die Stewarts 6,5 Millionen Euro in die Fabrik, die bis zu 250 Gewehre im Jahr produzieren kann. "Auf lange Sicht peilen wir sogar 1000 im Jahr an", sagt James Stewart. "In der Halle ist noch genug Platz für weitere Maschinen." Die Zahl der Beschäftigten müsse er dann fast vervierfachen, auf 44, sagt er.

Arbeit an einem Doppellauf in der Fabrik. (Foto: privat)

Um das neue Werk auszulasten, bringt er im Juli ein günstigeres Modell auf den Markt, das zwischen 9500 und 11 500 Euro kosten soll. Bisher sind alle Longthorne-Gewehre maßgefertigt. Viele Kunden kommen in die Fabrik, wählen ein Stück Walnussholz für den Kolben aus, bestellen besondere Gravuren. Neun oder zehn Monate später werden die Flinten geliefert.

Das billigere Modell hingegen wird nicht angepasst, sondern mit einheitlichem Design auf Lager produziert.

Jagdgegner oder Pazifisten hätten bislang keine Proteste gegen ihre Fabrik organisiert, sagt James Stewart. Allerdings habe in den Anfangsjahren eine Bank einen Kredit verweigert: "Die Bank erklärte, Waffengeschäfte zu finanzieren, sei rufschädigend." Die Stewarts bekamen bei einer anderen Bank ein Darlehen.

© SZ vom 11.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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