Mannesmann:Ende eines Prozesses

Lesezeit: 3 min

Mit einem Vergleich könnte einer der spektakulärsten Wirtschaftsprozesse Deutschlands enden. Ein kläglicher Kuhhandel.

Marc Beise

Nicht einmal für Herrn Dr. Josef Ackermann, wohnhaft in Zürich, Frankfurt, London und New York, sind 3,2 Millionen Euro eine Kleinigkeit.

3,2 Millionen Euro kostet der Vergleich Josef Ackermann. (Foto: Foto: dpa)

Klar, der Vorstandschef der Deutschen Bank hat im Jahr alles in allem Einkünfte von bis zu 20 Millionen Euro, was die gigantische Summe relativiert, die er als Preis für die Einstellung des Untreue-Prozesses in Düsseldorf zahlen muss.

Den früheren IG-Metall-Gewerkschaftsvorsitzenden Klaus Zwickel, der in guten Verhältnissen lebt, aber nicht reich ist, kommen seine 60.000 Euro wahrscheinlich ärger an. Aber auch ein Topverdiener, wenn er nicht gerade dem Jetset verfallen ist, weiß nach aller Erfahrung den Wert des Geldes zu schätzen.

Das Signal, das von Düsseldorf ausgeht, lautet: Ackermann hat seine Strafe bekommen - für eine Tat übrigens, mit der er niemals sich selbst hatte bereichern wollen.

Läuterung des Bank-Chefs

Für den Menschen Ackermann, der - dank eigener Fehler - in der Öffentlichkeit zum Zerrbild des bösen Kapitalisten degeneriert ist, war dieser Prozess ein Fegefeuer, ein Martyrium, aus dem er geläutert herausgekommen ist.

Auch wenn der Banker die (mindestens moralische) Schuldhaftigkeit seines Verfahren bis heute wohl nicht einsehen mag, hat er doch gelernt über gesellschaftliche Zusammenhänge, über die Rolle der Wirtschaft und die Verantwortung von Managern. Nun soll er wieder an seiner Leistung fürs eigene Unternehmen, dessen Mitarbeiter und Eigentümer gemessen werden - die ziemlich gut ist.

Auch für einen wie Klaus Zwickel, der die Ambivalenz der überbetrieblichen Mitbestimmung am eigenen Leib erleben und erleiden musste, kehrt nun wieder Ruhe ein.

Überforderter Arbeiterführer

Der Arbeiterführer, der dank der paritätisch besetzten Aufsichtsräte in die große Firmenpolitik einbezogen wurde und damit hoffnungslos überfordert war, hat nie das anrichten wollen, was er angerichtet hat, auch an sich selbst.

Ein Zwickel wollte die Gierhälse des Mannesmann-Managements, die sich nach der Übernahme durch Vodafone mit Millionen von Euro bedienen ließen, nicht alimentieren, aber er hat es getan. Er traute sich nicht Nein zu sagen als Teil eines Spiels, in dem er mitspielte, über das er aber auf den Marktplätzen der Republik lauthals ätzte.

Wahrscheinlich muss man auch Ackermann als im Räderwerk gefangen verstehen - was ein Schlaglicht wirft auf die Gestaltungsspielräume deutscher Spitzenmanager, die sich allzu sehr zu Getriebenen machen lassen, statt die Persönlichkeit und den Mut zu haben, sich gegen angebliche Zwangsläufigkeiten zu stemmen.

Für alle, für Ackermann wie für Zwickel und einige andere, darf nun gelten, dass sie genug gelitten haben - und zwar schon vor der Ausstellung der Zahlungsanweisung. Längst sind sie der gesellschaftlichen Ächtung ausgeliefert, und mit ihnen die ganze wirtschaftliche Elite.

Dass es "da oben" nicht mit rechten Dingen zugeht, ist ein weit verbreiteter Glaubenssatz. So übertrieben diese Vermutung insgesamt ist, so gut ist es, wenn Missstände wie jene bei Mannesmann ans Tageslicht kommen und öffentlich diskutiert werden.

Insofern war der bisherige Mannesmann-Prozess wertvoll und wichtig auch für die (Markt-)Wirtschaft, die von Akzeptanz, Glaubwürdigkeit und Transparenz lebt. Der Prozess hat dem System insgesamt gut getan, ihm nicht geschadet, all seinen Verästelungen zum Trotz: von den Freisprüchen der ersten Landgerichts-Instanz über den Donnerschlag der Revision der obersten Strafrichter in Karlsruhe, die den Angeklagten ihre Verantwortung überaus deutlich ins Stammbuch geschrieben haben, bis zum kläglichen Vergleich nun in zweiter Instanz.

Entledigung eines lästigen Themas

Kläglich ist dieser Vergleich wirklich, auf den sich Angeklagte, Verteidiger, Staatsanwälte und Richter verständigt haben. Ein Kuhhandel, wie er ärgerlicher nicht sein konnte. Seit Jahren beschäftigt das Thema alle Welt, beschäftigt Heerscharen von Juristen, Journalisten, beschäftigt die Öffentlichkeit - und nun bums, aus, Nikolaus?

Ein Ärgernis ist das schon deshalb, weil einer wie Klaus Esser nicht seinen Richter findet: 1,5 Millionen Euro muss der frühere Mannesmann-Chef für die Einstellung des Verfahrens zahlen, mit 16 Millionen Euro (zusätzlich zur Abfindung) hatte er sich damals belohnen lassen.

Ebenso wie sein Vorgänger Joachim Funk, für den Ackermann, Zwickel & Co. eben mal drei Millionen Euro locker gemacht hatten, Sonderzahlungen für Witwen und Waisen aus dem früheren Vorstandsumfeld einmal vernachlässigt. Allein schon deswegen hätte das Verfahren bis zum bitteren Ende durchgefochten werden müssen, aber auch um der rechtlichen Klärung dieser Art von Geschäften.

Klare Vorgaben bleiben aus

Was ist denn nun erlaubt und was nicht in den höchsten Gremien der Wirtschaft? Was ist denn jetzt mit der konkreten Umsetzung der Aussage des Dritten Strafsenats in Karlsruhe, es sei "schlechterdings nicht vorstellbar", dass sich die in führenden Positionen der deutschen Wirtschaft tätigen Angeklagten "für berechtigt gehalten haben könnten, in Millionenhöhe willkürlich über das ihnen anvertraute Gesellschaftsvermögen verfügen zu dürfen"?

Immerhin haben die Bundesrichter einige neue rechtliche Leitplanken eingezogen, wie sich Spitzenmanager beim Umgang mit fremden Geld verantwortungsvoll verhalten müssen. Auch in der Praxis hat sich in den vergangenen Jahren, parallel zum Prozess, einiges geändert. Es hätte sich wahrscheinlich noch mehr geändert, wenn dieser Prozess den Richtern nicht zu mühsam geworden wäre.

© SZ vom 25.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: