Managergehälter:Mangel an Maßstäben

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Eindeutige Kriterien für die Bezahlung von Spitzenmanagern gibt es nicht.

Marc Beise

(SZ vom 21.5. 2003) - In den Wunderjahren der New Economy, wenige Jahre erst ist es her, war die Welt der deutschen Konzernmanager noch in Ordnung. Die Geschäfte liefen gut, die Aktienkurse der Unternehmen schossen in die Höhe.

Klar, dass die Firmenchefs auch gut verdienen wollten - und verdienen durften. Schließlich galt es, der prosperierenden US-Wirtschaft auch bei den Top-Gehältern nachzueifern.

Der berüchtigte Neidkomplex der Deutschen schien zu verblassen. Deutschland, Ende der neunziger Jahre. Goldgräberstimmung auf den Gehaltskonten.

Zwischen 1990 und 2000 haben ausweislich einer umfangreichen Auswertung der Kienbaum Vergütungsberatung die Vorstandsgehälter in Deutschland um 97 Prozentpunkte zugelegt, während ihre Chefsekretärinnen nur 32 dazugewannen, Angestellte in der Industrie 40.

Die tatsächlich auffällige Entwicklung fand seit 1995 statt; in Einzelfällen explodierten die Bezüge regelrecht. Ganz schleichend ging irgendwann um die Jahrhundertwende manchem Vorstand und seinen Chefs im Aufsichtsrat das rechte Maß verloren.

Selbst einzelne Spitzenmanager räumen heute - im vertraulichen Gespräch - ein, dass sie ihr Millionengehalt eigentlich als zu hoch empfinden. In Erinnerung bleibt der Satz des verstorbenen Patriarchen der Bosch AG, Hans Merkle, wonach "mehr als 600000 Mark im Jahr man ohnehin nicht ausgeben kann".

Moralische Empörung

Die moralische Empörung wächst, insbesondere seitdem sich eine verbreitete und wachsende Diskrepanz zwischen der schlechten Situation der Unternehmen und dem Wohlbefinden ihrer Chefakteure aufgetan hat. Auch wenn alle Kennzahlen nach unten wiesen: Beim Gehalt gab es ausweislich der Geschäftsberichte kaum Abstriche.

Rückgänge bei ergebnisorientierten Gehaltsbestandteilen wurden durch ein höheres Festgehalt aufgefangen. Ganz selten war von freiwilligem Verzicht die Rede.

Wie etwa bei der Lufthansa, wo Vorstand und Führungskräfte um Jürgen Weber wegen der wirtschaftlichen Krise als Folge des 11. September 2001 für ein halbes Jahr auf zehn Prozent ihres Festgehalts verzichteten.Andere dagegen langten weiter ungeniert zu.

So steigerten sich die Gesamtbezüge des DaimlerChrysler-Vorstands im Krisenjahr 2002 noch einmal um satte 131 Prozent; durchschnittlich 3,91 Millionen Euro pro Vorstandsmitglied.

Auch wenn in einem freiheitlich verfassten Rechts- und Wirtschaftssystem sich der Lohn im freien Spiel der Kräfte findet, ist die Empfindung verbreitet, dass es für (Top-) Angestellte eine Grenze gibt zwischen "viel verdienen" und "unanständig viel verdienen".

Die Frage, wo diese Grenze verläuft, ist noch nicht beantwortet. Möglich sind einige Annäherungen.

Erstens: Der Blick ins Gesetz. Hier zeigt sich immerhin, dass auch der Gesetzgeber die Existenz einer Obergrenze der Vergütung unterstellt.

So schreibt das Aktiengesetz vor, dass "die Gesamtbezüge in einem angemessen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft" stehen müssen.

Nähere Angaben aber fehlen, und auch der (freiwillige) Cromme-Kodex für eine bessere Unternehmensführung schweigt hierzu.

Zweitens: Die eigene Leistung. Sie wäre der beste Maßstab - nur ist sie schwer zu messen und zu gewichten. Wo ist der qualitative Unterschied zwischen dem fleißigen und kompetenten Vorstandschef und dem fleißigen und kompetenten Gruppenleiter auf einer unteren Ebene?

Drittens: Die Verantwortung. Vom Wirken des Vorstandschefs hängen Tausende von Arbeitsplätzen sowie Kapitalwerte in Millionen- oder gar Milliardenhöhe ab: Er verdient also berechtigt deutlich mehr als andere.

Auch mit diesem Maßstab allerdings lassen sich absolute Gehaltsgrenzen nicht finden.

Viertens: Der Wettbewerb. Wer in einer globalisierten Welt die Besten anlocken will, muss so viel zahlen wie andere auch, lautet eine gängige Begründung. Eine Argumentation, die etwa der Autobauer BMW in Frage stellt.

Der Münchener Konzern hat es offenbar nicht nötig, mit exzessiven Gehältern um qualifizierte Mitarbeiter zu buhlen. "Wir zahlen gut. Unsere Mitarbeiter und Vorstände arbeiten gerne bei uns und bleiben überdurchschnittlich lange", heißt es in der Münchener BMW-Zentrale.

Was die Frage nahe legt: Ob nicht auch für Daimler-Chef Jürgen Schrempp ein qualifizierter Nachfolger gefunden werden könnte für nur die Hälfte des Geldes?

Fünftens: Die Moral. Zu viel Geld gilt als unethisch - aber was ist zu viel? Eine klare Position bezieht der Tübinger Theologe Hans Küng. "Es ist nicht mehr zu rechtfertigen, wenn das Chefgehalt das Hundertfache vom Lohn des einfachen Arbeiters beträgt."

Ganz anders der Münchener Wirtschaftsethiker Karl Homann: "Ich kenne keinen einzigen Lehrsatz in der Ethik, aus dem sich eine Gehaltsobergrenze ableiten ließe."

Wohl aber gebe es eine ethische Rechtfertigung für das System Marktwirtschaft. "Also muss es auch dem Markt überlassen bleiben, das richtige Gehalt festzusetzen."

Konkreter wird Michael Adams, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Hamburg: Sein Vorschlag: Chefgehälter, die über das 150-fache eines durchschnittlichen Arbeitnehmergehaltes hinausgehen, müssen von der Hauptversammlung genehmigt werden.

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