Managergehälter:Die Wut der Aktionäre

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Auf Druck von Anlegern und Politikern müssen Manager künftig ihre individuellen Bezüge bekannt geben.

Karl-Heinz Büschemann

(SZ vom 21.05.2003) — Der Weckruf kam von ungewohnter Stelle. Ausgerechnet das stille Bundesjustizministerium hat mit einem Machtwort der Ministerin Brigitte Zypries (SPD) eine gravierende Änderung in der Wirtschaftskultur erzwungen. ("Wenn es sein muss, nimmt der Gesetzgeber sich der Frage an.")

Demnächst werden die Vorstände deutscher Aktiengesellschaften ihre Gehälter bekannt geben müssen. Am Mittwoch will die zwölfköpfige "Cromme-Kommission", die im Auftrag der Bundesregierung klare Normen zur Führung und Kontrolle von Aktiengesellschaften (Corporate Governance) aufgestellt hat, diese Vorschrift in ihren Kodex aufnehmen.

"Es setzt sich immer mehr durch, dass Aktionäre als Eigentümer das Recht auf Information auch über die Vergütung der Vorstände haben", sagt der Vorsitzende der Kommission, Gerhard Cromme. Auch Angaben zum Wert der Aktienoptionen, die in vielen Unternehmen die Chefgehälter explodieren ließen, sollen "in allgemein verständlicher Form" bekannt gemacht werden.

"Grüne Neidhammel"

Bisher war die Veröffentlichung von Vorstandsgehältern in Deutschland undenkbar. Gehälter galten als Privatsache. Nur das Gesamteinkommen aller Vorstandsmitglieder steht bislang verschämt in den Geschäftsberichten.

Die Angst, die Regierung könnte die individuelle Veröffentlichung erzwingen, bringt die Kommission aus Managern und Wissenschaftlern jetzt unter Druck. Denn der Kodex, den die Kommission im Februar 2002 vorlegte, beschränkte sich auf wohlklingende Empfehlungen, auch beim Thema Vorstandsgehalt.

Die Daten "sollten" individuell veröffentlich werden. Tristes Ergebnis: Bisher sind nur sechs der 30 Dax-Konzerne zu dieser umfassenden Information bereit: Altana, Bayer, Deutsche Bank, Deutsche Börse, SAP und ThyssenKrupp. Drei weitere nennen wenigstens das Salär des Vorstandschefs.

Die Verschärfung der Regel wird daher schwierig. Selbst in der Kommission arbeiten einige Mitglieder, die dagegen sind. Zum Beispiel der Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. Doch Cromme muss handeln, wenn er sich nicht lächerlich machen will. Der Unmut in der Öffentlichkeit über gierige Manager, die sich trotz fallender Aktienkurse die Taschen vollstopfen, ist zu groß geworden.

Schon im vergangenen Jahr musste Telekom-Chef Ron Sommer seinen Posten verlassen, nachdem er sich 2001 eine fünfzigprozentige Gehaltserhöhung genehmigt hatte. Der Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer, der 2002 in den Aufsichtsrat wechselte, zog die Wut der Aktionäre auf sich, weil er in seinem letzten Dienstjahr acht Millionen Euro kassiert hatte. Es war das Jahr, in dem das größte deutsche Geldhaus massenhaft Mitarbeiter entlassen musste. Jürgen Schrempp, der Vorstandsvorsitzende von DaimlerChrysler und einer der Spitzenverdiener der Deutschland AG musste sich von seinen Aktionären als "Abzocker" beschimpfen lassen.

Die Diskussion bekam zusätzliche Brisanz weil im Februar die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft Anklage wegen Untreue gegen Aufsichtsratsmitglieder des Mannesmann-Konzerns erhoben hat, darunter auch gegen den heutigen Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann.

Die Kontrolleure sollen dem Vorstandsvorsitzenden des früheren Röhrenkonzerns nach dem Verkauf an den britischen Telefon-Konzern Vodafone eine Abfindung von 30 Millionen Euro zugeschanzt haben. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Michael Rogowski, hat bei einigen Managern "Raffgier" ausgemacht.

Kein Wunder, dass sich Politiker des Aufreger-Themas bemächtigten. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) schlug vor, die Manager-Gehälter müssten begrenzt werden. Auch die Bundesjustizministerin drohte mit gesetzlicher Deckelung: "Es ist nicht in Ordnung, wenn Manager unverhältnismäßig viel verdienen, während ihrer Aktionäre Geld verlieren." Sofort meldeten sich Bedenkenträger.

Mit der Veröffentlichung der Gehälter sei die Sicherheit der Betroffenen gefährdet, hieß es zum Beispiel. BASF-Finanzvorstand Dietrich Kley, Mitglied der Cromme-Kommission, vermutet "grüne Neidhammel" hinter der Debatte.

Auch Paul Achleitner, Finanzchef der Allianz, der als ehemaliger Investment-Banker lange Zeit die amerikanischen Business-Regeln für vorbildlich hielt, plädiert beim Thema Gehalt für die deutsche Verschwiegenheit. Wer wie viel verdiene, müsse außer dem Chef niemand wissen. Andernfalls würden "alle Gehälter nivelliert". Man könne "keine Leistungsanreize mehr setzen".

Solche Argumente wischen die Befürworter der Transparenz vom Tisch. "Wir wissen, was der Bundeskanzler verdient. Es gibt keinen Grund uns diese Information bei Managern zu verweigern", sagt Reinhild Keitel, Sprecherin der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre. Auch Professor Manuel Theisen, Betriebswirtschaftler von der Universität in München, macht sich für die Aktionäre stark: "Diejenigen, die das Kapital geben, haben ein Recht zu erfahren, was die Manager kosten."

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