Machtkampf bei Volkswagen:Die neue Kraft des Alten

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Widerspruch wird nicht geduldet: Ferdinand Piëch zeigt mal wieder, wer der eigentliche Herr in Wolfsburg ist - er selbst.

Karl-Heinz Büschemann

In der entscheidenden Sitzung waren alle gegen ihn. Am Dienstagnachmittag sprach sich das Präsidium des VW-Aufsichtsrates für die Ablösung von Bernd Pischetsrieder als Chef des größten Autoherstellers in Europa aus. Einstimmig - der Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch, die beiden Abgesandten der IG Metall sowie Porsche-Chef Wendelin Wiedeking.

Christian Wulff, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, das an VW mit 20 Prozent beteiligt ist, stellte sich noch hinter den VW-Chef. Doch auch er musste sich am Ende beugen. Martin Winterkorn, der Chef der Volkswagen-Tochter Audi, wird den Vorstandsvorsitz in Wolfsburg übernehmen.

Ein schwieriger Charakter

Allerlei Begründungen für den Rauswurf des 58-jährigen Bayern machten die Runde. Vor allem die Sanierung bei VW komme nicht schnell genug voran. Doch offenbar geht es um viel mehr als um ein paar strategische Details. Mit der Trennung von Pischetsrieder, die nur notdürftig als einvernehmlich getarnt wurde, hat der Aufsichtsratschef klargemacht, dass er der Herr bei Volkswagen ist und bleiben will.

Vor allem will er keinen dulden, der ihm widerspricht. Bernd Pischetsrieder hat sich in seiner Zeit an der Volkswagen-Spitze immer wieder gegen Piëch gestellt. Der frühere BMW-Chef hat auch Entscheidungen des Alten, wie Piëch im Konzern genannt wird, korrigiert.

Piëch führt das Unternehmen de facto vom Aufsichtsrat aus, obwohl das Aktiengesetz diesen Eingriff ins Tagesgeschäft nicht erlaubt. Und das wird für ihn in Zukunft sogar noch leichter. Der 59-jährige Winterkorn, ein Vertrauter von Piëch, ist bekannt dafür, dass er nichts tut, was seinem Mentor missfällt. Zudem hat Piëch, der für seine Zähigkeit und seine Zielstrebigkeit berühmt ist, längst wichtige Weichen im Aufsichtsrat gestellt.

Als einflussreicher Gesellschafter beim Sportwagenhersteller Porsche, der zu 100 Prozent seiner Großfamilie gehört und an dem er selbst mit 13 Prozent beteiligt ist, sorgte Piëch dafür, dass Porsche im Jahr 2005 mit 20 Prozent größter VW-Aktionär wurde. Seitdem kann bei VW nichts mehr gegen Piëch laufen.

Das aber ist heikel. Zunehmend wird es an den Finanzmärkten kritisch gesehen, wenn der ehemalige Vorstandsvorsitzende nach seiner aktiven Zeit zum Chef des Kontrollgremiums wird. Denn, so die Furcht, damit kann er seinen Nachfolger hindern, Fehler zu korrigieren. Genau das passiert bei Volkswagen. Etliche der Probleme, unter denen Volkswagen heute zu leiden hat, gehen auf das Konto von Piëch und auch Martin Winterkorn, die lange gemeinsam im VW-Vorstand entscheidende Weichen stellten.

Zudem hatte Piëch mit der mächtigen IG Metall einen Nichtangriffspakt geschlossen. Die Gewerkschafter konnten sicher sein, dass es nicht zu harten Personalmaßnahmen kommt. Piëch durfte dafür Luxusautos wie den Phaeton entwickeln, der sich als unverkäuflich erwies. Schon 2005 bewies Piëch, wer der eigentliche Herr in Wolfsburg ist - er selbst.

Gegen den Willen von Pischetsrieder drückte er gemeinsam mit der IG Metall den Personalvorstand Horst Neumann in das VW-Führungsgremium. Im Frühjahr 2006 attackierter Piëch den ungeliebten Vorstandsvorsitzenden Pischetsrieder, indem er öffentlich erklärte, die Verlängerung des Vertrages sei "eine offene Frage". Pischetsrieder war entscheidend geschwächt.

Piëch steht schon lange im Verdacht, die Macht bei Volkswagen übernehmen zu wollen. Der 69-jährige mit dem schwierigen Charakter ist der Enkel von Ferry Porsche, des Gründers des Stuttgarter Sportwagenbauers gleichen Namens, der auch den legendären Volkswagen-Käfer konstruierte, ohne den VW nicht denkbar wäre. Piëchs Vater war im Zweiten Weltkrieg Geschäftsführer bei VW in Wolfsburg. Viele, die den Enkel kennen, behaupten, er wolle es mit allen Mitteln seinen Vorfahren gleichtun.

Im kommenden Jahr kommt die nächste Weichenstellung bei VW. Dann steht die Neuwahl des Aufsichtsratsvorsitzenden an. Piëch, so hatten die bisherigen Vertreter im Aufsichtsrat geglaubt, werde mit 70 Jahren das Kontrollgremium verlassen. Doch danach sieht es schon lange nicht mehr aus. Der Alte hat längst angedeutet, dass er sich im kommenden Jahr erneut zur Wahl für den Aufsichtsrat zur Verfügung stellen will.

Nach dem jetzigen Machtkampf und dem erhöhten Gewicht von Porsche im Aufsichtsrat wird es schwierig, Piëch die Rolle des Oberkontrolleurs zu verwehren. Sollten die Vorbehalte gegen Piëch aber zu groß werden, bliebe ihm die Möglichkeit, seinen Angestellten - Porsche-Chef Wendelin Wiedeking - zum obersten Aufseher zu machen. In beiden Fällen hat Piëch für lange Zeit seinen Einfluss auf Volkswagen gesichert. Ein VW-Manager sagte der SZ am Mittwoch: "Piëch ist jetzt der neue Vorstandsvorsitzende."

© SZ vom 9.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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