Luxuskonzerne:Italienischer Chic für China

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Luxusunternehmen haben in der Krise stark gelitten. Jetzt herrscht in der Branche wieder Zuversicht - weil der Markt in Asien boomt.

Ulrike Sauer, Rom

Als der Holländer Robert Polet Fischstäbchen und Eiscreme den Rücken kehrte und sich dem Verkauf von Kroko-Mokassins und kostspieligen Taschenträumen zuwandte, empfand das die Luxusmodewelt noch als Provokation. Polet übernahm 2004 nach 26 Jahren beim Konsumgüterhersteller Unilever das Kommando bei Gucci in Florenz; er verkörperte die Abkehr vom Starkult in der Glamourbranche.

China wurde im Jahr 2009 zum größten Absatzmarkt für den italienischen Edelschneider Ermenegildo Zegna. (Foto: Foto: Reuters)

In Kürze tritt nun Daniela Riccardi, China-Chefin von Procter & Gamble, bei der italienischen Luxusmarke Diesel als Vorstandsvorsitzende an. Die 49-jährige Römerin bringt nach 25 Jahren beim US-Multi mit, wonach der Unternehmensgründer Renzo Rosso lange suchte: profunde internationale Erfahrungen. Undnun, nach der Krise im vergangenen Jahr, ruft eine Quereinsteigerin wie Riccardi in der Modebranche auch keine Verwunderung mehr hervor.

Denn eine Kennerin von Marken und Märkten aus dem Waschmittel- und Windelimperium Procter & Gamble passt heute selbst in Rossos coolen Markenkonzern, der aus der 1978 im Veneto-Städtchen Molvena gegründeten Jeansfirma Diesel hervorging. Es erstaunt auch nicht, dass dort - wie bei anderen Unternehmen der Branche - die Zusammenarbeit mit einem Wegweiser der Mode beendet wurde. Der Avantgarde-Designer Martin Margiela, dessen Label Rosso 2002 übernommen hatte, zog sich zurück. Das neue Jahrzehnt startet modisch ohne Experimente.

Auch Riccardis China-Erfahrung dürfte eine Rolle bei ihrer Berufung gespielt haben. Als eine der wichtigsten Lehren aus dem Krisenjahr gilt, dass die Chancen der italienischen Luxusindustrie jetzt in den Schwellenländern liegen. Weltweit werden in den kommenden sechs Jahren 123 Millionen neue Reiche hinzukommen - drei Viertel davon leben 2015 in den aufstrebenden Schwellenländern. Und ein Drittel stammt aus China. Diese Berechnungen stellte das Forschungsinstitut Prometeia aus Bologna zusammen mit dem italienischen Industriellenverband Confindustria an. In der 60-seitigen Studie "Dolce Vita exportieren - neue Gelegenheiten für den italienischen Luxus" weisen die Ökonomen den Weg zum Wachstum.

Die Krise - eine "phantastische" Gelegenheit

Doch die Chefpersonalie bei Diesel hat nicht nur mit China zu tun. Sie ist Teil eines umfassenden Umbaus in Rossos Modereich mit dem Mohikaner-Logo. Den Posten für Riccardi hat er neu geschaffen im Zuge der Abspaltung der Markenunternehmen von der Holding Only the brave. Diesel begann 2000, neue Geschäftssparten zu eröffnen und prestigeträchtige Label wie Martin Margiela, Viktor & Rolf und Dsquared aufzukaufen. Daher nahm die Komplexität des Unternehmens stetig zu. Künftig will sich der 54-jährige Gründer als Präsident der Holding auf die Strategien konzentrieren.

Die Krise hat der Bauernsohn vor mehr als einem Jahr als "phantastisch" bezeichnet. Sie böte die Gelegenheit für eine Marktbereinigung und fördere Solidität und Professionalität in der Modeszene, sagte er im Interview mit der SZ. Einige Insolvenzen und Sparrunden später kämpfen sich die italienischen Modefirmen nun aus dem Nachfrage-Tal.

Die Rezession hinterließ auch in Rossos Unternehmen Bremsspuren. Der Umsatz der sonst wachstumsstarken Modeholding Only the Brave, deren Motor die Marke Diesel ist, sank 2009 um 3,5 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro. "Wir zahlten die Zeche in den südeuropäischen Ländern und den USA. Die Madison Avenue wirkte gespenstisch", klagt Rosso. Die Erholung kommt nur langsam in Gang, da bleibt den Italienern nur die forcierte Expansion in neue Märkte. In China hat sich Diesel schon mit 29 Läden etabliert, nun beginnt man sich in Indien auszubreiten.

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Auch die anderen Großen der Branche setzen längst auf Asien. Beispiel Bulgari: Der römische Edel-Juwelier hat in Asien mit 42 Prozent Umsatzanteil seinen größten Absatzmarkt. "Das rasant wachsende China wird im Verlauf des Jahres beim Umsatz zu Japan aufschließen", prognostizierte Bulgari-Chef Francesco Trapani im April auf der Aktionärsversammlung. Der seit 1984 amtierende Vorstandschef muss erstmals einen Verlust verantworten. 2009 schrieb der traditionsreiche Schmuck- und Uhrenhersteller rote Zahlen. Ein Großteil der 47 Millionen Euro Verlust sei erfreulicherweise von einmaligen Sanierungskosten verursacht worden, beruhigte Trapani das knappe Dutzend anwesende Aktionäre. Der Umsatz fiel 2009 um fast 14 Prozent unter die Milliarden-Marke.

Inzwischen erholt sich aber das Geschäft mit der wohlhabenden Kundschaft. Im ersten Quartal zog der Verkauf von Schmuck, Düften, Kosmetik und Accessoires um 11,8 Prozent an, nach einem Rückgang um 15,6 Prozent im Vorjahresquartal. Zu schwarzen Zahlen fand der Luxuskonzern jedoch noch nicht zurück. In den ersten Monaten des Jahres fielen 8,3 Millionen Euro Verlust an. Doch der Aktienkurs zieht an.

"An der Börse scheint das Luxussegment seine traditionellen Merkmale der Robustheit und Unabhängigkeit von Zyklen zurückgewonnen zu haben", beobachtet Luciano Giannetti, Partner der Beratungsfirma Gea. Der Luxusaktienindex WLI Europe stieg im April im sechsten Monat in Folge, um 5,5 Prozent. Die überwiegend positive Kursentwicklung der italienischen Unternehmen stützt sich auf Umsatzsteigerungen der gesamten Branche im ersten Quartal von fünf bis zehn Prozent.

Kraftakt für kleine Firmen

Nach dem Schrumpfen des weltweiten Marktes im vergangenen Jahr um acht Prozent ist Luxus nun wieder gefragter. Claudia D'Arpizio von der Beratungsfirma Bain setzt daher ihre Wachstumsprognose für 2010 von einem Prozent auf vier Prozent nach oben. Die Chinesen würden ihre Ausgaben für Luxusgüter um 15 Prozent steigern. "In den kommenden Jahren wird China der führende Luxusmarkt sein. Aber nicht alle Unternehmen können diese Chance nutzen", warnt D'Arpizio. Denn was namhaften Markenkonzernen recht leicht fällt, ist für kleine Modefirmen ein Kraftakt.

Gut in Stellung brachte sich der vor 100 Jahren gegründete Herrenausstatter Ermenegildo Zegna. Der Großraum China wurde 2009 zum größten Absatzmarkt des Edelschneiders aus Biella im Piemont. In diesem Jahr soll das chinesische Festland allein zur Nummer eins werden. Insgesamt erzielte Ermenegildo Zegna im Krisenjahr 2009 etwa 40 Prozent seiner 800 Millionen Euro Umsatz in den Schwellenländern. Nach einem Geschäftsrückgang um 8,4 Prozent atmet die Unternehmerfamilie nun im Jubiläumsjahr auf. "Wenn es so weiter geht, erwarte ich für 2010 ein solides Wachstum", sagt Paolo Zegna. "Der Notstand ist zwar vorüber, aber wir haben die Sicherheitsgurte noch angeschnallt."

In den 310 eigenen Läden legte der Verkauf in den ersten vier Monaten um 20 Prozent zu. Für Zegna zahlt sich die Verschiebung der Investitionen von West nach Ost bereits aus. "Eine starke Position in Asien bringt nicht nur Wachstum, sondern auch schnellere und höhere Gewinne als in Europa oder den USA", sagt Gildo Zegna, der wie sein Vetter Paolo Spross der vierten Generation der Textildynastie ist. Gute Nachrichten also nach dem Krisenjahr.

© SZ vom 31.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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