Lufthansa:Flop in Russland, Erfolg in Brüssel

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Russisches Roulette: In Moskau verwickelt sich der Wunschpartner der Lufthansa in peinliche Pleiten, in Belgien ist der Einstieg bei Brussels Airlines nun perfekt.

Jens Flottau

Der Einstieg der Lufthansa bei dem kleineren belgischen Konkurrenten Brussels Airlines ist perfekt. Lufthansa übernimmt zunächst für 65 Millionen Euro 45 Prozent an der Fluggesellschaft, wie das Unternehmen am Montag mitteilte. Die Lufthansa hält sich außerdem die Option offen, in einem zweiten Schritt das belgische Unternehmen bis 2011 komplett zu übernehmen. Der gesamte Kaufpreis belaufe sich auf bis zu 250 Millionen Euro.

Die deutsche Lufthansa: Weiterhin auf der Suche nach russischen Verbündeten, nachdem der Deal mit der russischen Air Union ist geplatzt ist. (Foto: Foto: AP)

Mit Brussels verstärkt Lufthansa ihre Position bei Strecken nach Afrika und bekommt einen besseren Zugang zum Geschäftsreiseverkehr nach Brüssel. Es gebe "substanzielle Synergien", die binnen drei Jahren auf einen mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Betrag pro Jahr steigen könnten.

Brussels Airlines entstand erst Ende 2006 aus dem Zusammenschluss der Sabena-Nachfolgerin SN Brussels Airlines und dem Billigflieger Virgin Express. Die Gesellschaft verfügt nach eigenen Angaben über rund 50 Flugzeuge. Brussels Airlines ist in keiner Luftverkehrsallianz gebunden und fliegt von der Drehscheibe Brüssel Ziele in Europa und vor allem in Afrika an.

Im Westen also gute Neuigkeiten, im Osten sieht es schlechter aus. Dabei war Heinz Ruhnau eigentlich in seinem Element: Über Monate pendelte der ehemalige Lufthansa-Chef zwischen Deutschland und Russland, um den Überraschungscoup einzufädeln. Immer noch hatte ihn Vorstandschef Wolfgang Mayrhuber als eine Art Russland-Beauftragten des Konzerns eingebunden, und 2007 lieferte Ruhnau wie erhofft den erwünschten Partner im strategisch und wirtschaftlich so interessanten Land: Air Union sollte bald mit der Lufthansa zusammenarbeiten und danach auch Mitglied der Star Alliance werden.

Peinlicher Reinfall

Die Sache ist für Lufthansa zu einem peinlichen Reinfall geworden. Denn in den vergangenen Wochen machte Air Union vor allem dadurch auf sich aufmerksam, dass der Verbund von fünf russischen Fluggesellschaften nicht mehr in der Lage war, den Treibstoff zu zahlen. Hunderte Passagiere strandeten an abgelegenen Orten irgendwo im fernen Osten des Landes, weil sich die Flughäfen standhaft weigerten, Air Union (vor allem den Mitgliedern Domodedovo Airlines und Kras Air) weiter auf Pump Kerosin zu liefern.

Die Airlines hatten schon seit Wochen ihre Außenstände nicht mehr beglichen. Erst als Premierminister Wladimir Putin eine Staatsgarantie aussprach, floss der Treibstoff zwischenzeitlich wieder in die Flugzeugtanks.

Doch das dürfte die geplante Partnerschaft auch nicht mehr retten. Air Union hat nämlich neue Geldgeber gefunden, unter anderem die Stadt Moskau und ihren Flughafen Wnukowo. Diese haben es aber offenbar zur Bedingung gemacht, dass Air Union vom Konkurrenz-Flughafen Domodedowo nach Wnukowo umzieht.

Mehr als die Hälfte nicht mehr flugfähig

Air Union hat dies innerhalb weniger Tage in die Tat umgesetzt und Branchenkreisen zufolge sieben der 17 in Domodedowo stationierten Maschinen auf den anderen Moskauer Airport geflogen. Die übrigen zehn sind ohnehin nicht mehr flugfähig und stehen ohne Triebwerke oder Elektronik auf dem Vorfeld.

Die Lufthansa ist erst im Frühjahr nach Domodedowo umgezogen, unter anderem weil sie sich dort einen besseren Anschluss an das Inlandsnetz der Air Union versprochen hatte.

Lesen Sie auf der nächsten Seite über andere russische Partner, die in Frage kommen.

Offiziell will sich die Lufthansa wegen der "unübersichtlichen Lage" noch nicht zur aktuellen Entwicklung und den Konsequenzen äußern. Branchenkreisen zufolge läuft aber alles auf einen neuen Partner in Russland hinaus.

Wichtiges europäisches Drehkreuz

Nachdem die größte Airline des Landes, Aeroflot, bereits fest mit Air France-KLM und der Skyteam-Allianz verbandelt ist, deutet einiges darauf hin, dass sich die Lufthansa bald mit S7 Airlines (früher: Sibir) zusammentun wird. Die größte russische Inlandsfluggesellschaft hat zwar seit längerem Kontakte zur Oneworld-Allianz, in der British Airways und American Airlines wichtige Partner sind. Allerdings hatte sich S7-Chef Wladislaw Filew jüngst äußert interessiert daran gezeigt, bei Star-Alliance-Mitglied Austrian Airlines einzusteigen, wenn der Staatsanteil von knapp 43 Prozent verkauft wird. "Ein europäisches Drehkreuz ist sehr wichtig für uns", sagte Filew kürzlich in Wien und kündigte ein lukratives Angebot für Austrian an.

Ironie des Schicksals: Die ersten Kontakte zu Air Union hatte auch die österreichische Fluggesellschaft geknüpft, Ruhnau und die Lufthansa hatten sich später angeschlossen.

Bei S7 handelt es sich um die ehemalige Aeroflot-Abteilung Nowosibirsk, die sich 1992 aus dem einstigen Moloch ausgründete. Das Unternehmen befindet sich zu 65 Prozent im Besitz von Filews Frau Natalja, der Rest ist in Staatsbesitz.

Schon 2007 hatte die Lufthansa erwogen, statt Air Union S7 als russischen Partner auszuwählen. Jedoch wurden Air Union die besseren Perspektiven und politischen Drähte in einflussreiche Kreise nachgesagt. Außerdem war im Juli 2006 gerade ein S7-Airbus in Irkutsk verunglückt. Bei dem Unfall waren 124 Menschen ums Leben gekommen.

Von Wnukowo nach Domodedowo

Filew ist eindeutig anzumerken, dass er für seine auf den Inlandsmarkt fokussierte Fluggesellschaft dringend europäische Partner sucht. Erst vergangene Woche gab er bekannt, dass S7 bald alle alten Flugzeuge aus der Sowjetzeit ausgemustert haben wird. Stattdessen will er zusätzliche Boeing-Jets leasen, um das Image weiter zu polieren und die Treibstoffkosten zu senken.

Neben S7 kämen für die Lufthansa als russische Partner wohl nur noch die deutlich kleineren Transaero und UTair in Frage. Transaero konzentriert sich allerdings mehr auf internationale Langstrecken und ist daher nur eingeschränkt interessant. UTair müsste erst umziehen - von Wnukowo nach Domodedowo.

© SZ vom 16.9.2006/dpa/Reuters/kim/jkr/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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