Lufthansa:Da strahlt der Sanierer

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Mitte des Monats gibt Lufthansa-Chef Jürgen Weber sein Amt an den Österreicher Wolfgang Mayrhuber ab - damit ändert sich auch der Stil in der Konzernzentrale.

Sibylle Haas

(SZ vom 07.06.2003) — Wer Wolfgang Mayrhuber besucht, muss sich auf einiges gefasst machen. Passkontrolle, Personenkontrolle, Röntgengerät - auf dem Weg zum neuen Lufthansa-Chef bleibt keiner von derlei Strapazen verschont.

Mayrhubers Büro liegt direkt am Frankfurter Flughafen und gilt deshalb als sicherheitsgefährdet - so will es das Luftfahrtgesetz. Jeder nämlich, der auf das Gelände der Lufthansa-Basis gelangt, hat direkten Zugang zum Vorfeld und damit zu dem Ort, auf dem die Flugzeuge auf ihre Starterlaubnis warten.

Noch sitzt Wolfgang Mayrhuber, 56, in seinem alten Büro, einer bescheidenen Arbeitsstätte mit dem Charme früherer Bonner Ministerien. In dem Gebäude, gleich in der Nähe des "Kontrollpunktes", dem Eingang, arbeiten diejenigen, die mit dem wichtigsten Lufthansa-Geschäft zu tun haben: dem Passagierflugverkehr.

Mayrhuber arbeitet auch dort, weil er im Konzernvorstand für dieses Ressort zuständig ist. Die Zuständigkeit wird er nach seinem Wechsel an die Unternehmensspitze behalten - was den Konzernvorstand von derzeit vier auf drei Mitglieder verkleinert - nur sein Büro verliert er.

Nach der Hauptversammlung am 18. Juni wird Mayrhuber in das Gebäude umziehen, in dem der Konzernchef tätig ist. Dann übernimmt er Amt und Büro seines Vorgängers Jürgen Weber, 61. Auch dieses Zimmer ist mit vierzig Quadratmetern eher bescheiden, vergleicht man es mit den Gemächern anderer Vorstandschefs.

Um eines dürfte ihn trotzdem mancher der deutschen Führungselite beneiden: Eine große Fensterfront gibt den Blick auf die Rollbahn frei. Nur wenige Konzernchefs dürften tagtäglich nahezu zufällig und dennoch so unmittelbar den Gegenstand ihrer Arbeit sehen.

Weber und Mayrhuber sind befreundet, sie duzen sich und gehen locker miteinander um. Jürgen und Wolfgang - ein Duo, das in der Lufthansa-Krise vor mehr als zehn Jahren eng zusammenkam. Als Jürgen Weber im September 1991 die Lufthansa-Führung übernahm, war das Unternehmen ein Sanierungsfall. Die Lufthansa, an der damals noch der Bund beteiligt war, verbuchte 1991 den höchsten Verlust ihrer Geschichte.

"Ich habe es ihnen gezeigt"

Wolfgang Mayrhuber war damals Leiter des Lufthansa-Sanierungsteams. Unter der Führung Webers wurde ein ganzes Sanierungsbündel geschnürt, dem sich nach schwierigen Verhandlungen auch die Gewerkschaften anschlossen. Weil mitunter striktes Kostenmanagement noch immer als Maxime gilt, steht der Konzern trotz Luftfahrt-Krise und drohendem Verlust heute besser da als viele seiner Wettbewerber.

Dabei war Weber ganz ohne Vorschusslorbeeren an die Spitze gerückt. Viele hatten "dem Techniker" die Ertragswende nicht zugetraut. Doch Weber hat sich davon nicht beirren lassen. "Ich habe es ihnen gezeigt", sagte er später einmal im kleinen Kreis. Heute gilt er als einer der angesehensten Manager Deutschlands mit vielen Auszeichnungen, dessen Rat auch in der Politik gefragt ist.

Weber hat Weichen gestellt: für Sanierung und Privatisierung, aber auch für den Umbau der Lufthansa zu einem Aviation-Konzern, der neben dem Kerngeschäft Fliegen in Logistik, Catering, Technik, Touristik und Informationstechnologie tätig ist.

Weber ist auch Initiator der Star Alliance, dem weltweit ersten und größten Verbund von Fluggesellschaften.In manchem sind sich die Männer ähnlich: Beide sind Techniker. Beide begannen ihre Laufbahn in der Lufthansa Technik in Hamburg und arbeiteten in verschiedenen Führungsfunktionen. Beide sind seit mehr als 30 Jahren bei der Lufthansa. Im Temperament dagegen ähneln sie sich für den Beobachter kaum. Während Weber auch aufbrausend und forsch sein kann, eilt Mayrhuber der Ruf des Diplomaten voraus.

Weber ist "seiner" Lufthansa emotional tief verbunden. Kritik am Unternehmen nimmt er persönlich. Seinen Ärger verbirgt der Manager dann nicht. "Ich lasse mir nichts kaputt reden", rief der Lufthansa-Chef gelegentlich auf Pressekonferenzen den Journalisten zu, die den Erfolg des Unternehmens hinterfragten.

Schonungslos wettert er aber auch gegen die Politik. "Es muss endlich Schluss sein mit wöchentlich neuen Steuerphantasien", schimpfte er unlängst über die Debatten zur Kerosinsteuer und zur Mehrwertsteuer im grenzüberschreitenden Flugverkehr.

Heiter und freundlich, zuweilen schlagfertig

Mächtig aufgebracht hatte ihn das Verhalten der Lufthansa-Piloten vor zwei Jahren. Er befürchtete wegen der hohen Gehaltsforderung die "Rückabwicklung der Sanierung". Die Kampfbereitschaft der Cockpit-Belegschaft hatte er allerdings unterschätzt. Die harten Fronten führten zu einem der heftigsten Streiks der Piloten. Manche Lufthanseaten kritisierten den kompromisslosen und harten Stil Webers.

Unliebsame Entscheidungen, so zeigte die Sanierung vor mehr als zehn Jahren, setzt auch Mayrhuber durch. Dies wird ihm auch jetzt nicht erspart bleiben - die Luftfahrt steckt in ihrer schlimmsten Krise. Doch vielleicht kommt dem hoch gewachsenen schlanken Mann seine Wesensart zu Gute. Er wirkt heiter und freundlich, zeigt sich im Gespräch unvoreingenommen und interessiert und spart nicht mit Schlagfertigkeit.

Als ihm unlängst der Gouverneur von Oregon zur Eröffnung der Flugstrecke Frankfurt-Portland eine riesige Flasche Wein schenkte, da bedankte sich Mayrhuber mit den Worten: "In diesen Zeiten können wir Liquidität gut gebrauchen." Die Lockerheit der Amerikaner hat der gebürtige Österreicher als junger Mann während verschiedener Praktika in den Vereinigten Staaten gelernt.

Weber, der Sanierer. Welches Image wohl Mayrhuber erhalten wird? Schon ist vom Erneuerer die Rede, teilweise auch davon, er werde den Aviation-Konzern gegen den Strich bürsten. Eines hat der neue Chef kürzlich schon angekündigt, nämlich das Produkt "Flug" schärfer auf Kundenwünsche zuschneiden zu wollen.Dass Weber, der in den Aufsichtsrat wechselt, dort an Schwung verliert, bezweifeln Beobachter.

Zu eng sei er mit der heutigen Lufthansa, seinem Lebenswerk, verbunden. Weber, begeisterter Skifahrer und Kletterer, hat sich aber vor allem eines vorgenommen: Er will mit seiner Frau im Wohnmobil Amerika erkunden. "Wissen Sie, ich bin viel gereist, aber ich kenne fast nur die Flughäfen." Auch um seine Enkelkinder will er sich jetzt öfter kümmern. Als er erzählt, dass das dritte bald da ist, da strahlt der Sanierer. Plötzlich wirkt er ganz weich.

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