Luftfahrt:Lahme Flügel

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Fluggesellschaften auf der ganzen Welt bekommen derzeit kaum mehr Kredite -und wissen nicht, wie sie bestellte Flugzeuge bezahlen sollen.

Jens Flottau

Weil Verkaufen seine Bestimmung ist, schafft es Airbus-Verkaufschef John Leahy in der Regel auch, den Leuten schlechte Nachrichten schonend beizubringen. Also sagte er am Donnerstag, Airbus brauche im kommenden Jahr nicht viele Aufträge, weil die Produktion sowieso bis 2011 überbucht sei.

(Foto: Foto: dpa)

Die eigentliche Nachricht von Leahy war aber, dass Airbus für 2009 offenbar mit einem Einbruch der Nachfrage nach neuen Flugzeugen rechnet. Das ist angesichts der wirtschaftlichen Lage nicht verwunderlich. Doch das eigentliche Problem ist damit noch nicht beschrieben.

Möglicherweise ein Drittel der Auslieferungen betroffen

Entscheidend wird nächstes Jahr nicht sein, wer wie viele Flugzeuge kauft - die dann einige Jahre später ausgeliefert und bezahlt werden -, sondern wer die bereits bestellten bezahlt. Es zeichnet sich nämlich ab, dass die Finanzkrise bedrohliche Folgen für Flugzeughersteller und Airlines haben könnte.

Analysten bei JP Morgan und Natixis Transport Finance rechnen wie viele ihrer Kollegen mittlerweile damit, dass fast ein Drittel der für 2009 rund 900 geplanten Auslieferungen nicht mehr finanziert sind. Für 65 Milliarden Dollar wollen die Fluggesellschaften eigentlich im nächsten Jahr Boeing und Airbus Jets abnehmen - die Finanzierungslücke könnte bis zu 20 Milliarden Dollar betragen.

Die Unternehmensberatung Ascend schätzt eher konservativ, dass die Hersteller bis Ende nächsten Jahres 200 neue Flugzeuge in die Wüste stellen müssen, wenn sich die Lage nicht gravierend verbessert. Die Folgen für Umsatz und Gewinn bei Airbus und Boeing wären verheerend.

Die Airlines bekommen derzeit nur mit großen Schwierigkeiten Kredite, um die bestellten Flugzeuge bezahlen zu können und selbst die normalerweise so zuverlässigen Leasingfirmen drohen im Zuge der Finanzkrise ins Schlingern zu geraten.

"Der Markt ist tot", sagt Bill Cumberlidge von der angeschlagenen Allco Finance Group. "Einige der möglichen Finanziers, mit denen wir verhandelt haben, haben sich zurückgezogen", klagt Eddy Porwanto, Finanzchef bei Garuda Indonesia. Die staatliche Airline sucht gerade Geldgeber für 14 neue Boeing 737. "Die Flugzeug-Finanzierung ist ein echtes Problem geworden", sagt auch Steve Ridgway, Chef der Londoner Fluggesellschaft Virgin Atlantic.

Leasingunternehmen in Gefahr

2007 haben Banken rund 40 Prozent aller neuen Flugzeuge finanziert, weitere 30 Prozent haben die auf den Sektor spezialisierten Leasingfirmen übernommen. Jedoch drohen auch dem Leasing-Sektor harte Zeiten. "Wir nehmen an, dass den Leasingunternehmen von nächstem Jahr an etwa wegen Airline-Pleiten 25 Prozent ihrer Aufträge wegbrechen werden und dass die monatlichen Raten danach ebenfalls um 25 Prozent sinken", so JP Morgan-Analyst Jamie Baker.

Entscheidenden Einfluss auf die Branche dürfte das Schicksal des Marktführers International Lease Finance Corporation (ILFC) haben. Der größte Einzelkunde von Airbus und Boeing steckt in der Klemme, weil die Muttergesellschaft American International Group (AIG) nur durch Staatshilfen vor der Pleite bewahrt werden konnte.

Die Flugzeugleasing-Sparte soll nun verkauft werden, doch das ist nicht so einfach. "Das Problem bei ILFC ist, dass sie so groß sind", sagt Klaus Heinemann, Chef von Aercap Aviation Solutions, dem weltweit achtgrößten Leasinganbieter. Jeder neue ILFC-Eigner müsse versuchen, die bislang guten Kreditbedingungen aufrechtzuerhalten. Wenn sich die Finanzkrise lange hinziehe, dann müsse ILFC womöglich aufgespalten werden.

Dass ILFC schnell verkauft wird, daran glaubt mittlerweile keiner mehr. "Die Liste möglicher Interessenten ist ziemlich kurz", so Baker. Immerhin Warren Buffetts Berkshire Hathaway oder Fonds aus dem Mittleren Osten seien denkbar. Wie auch immer die Sache ausgeht, für die Konkurrenten ist die ILFC-Krise in jedem Fall schlecht. Denn der Verkauf "werde das Kapital verringern, das ansonsten die eigentliche Finanzierungslücke bei den Airlines hätte schließen können", erläutert Baker.

Nicht alle sehen übrigens so schwarz wie der JP Morgan-Analyst. "Die negativen Prognosen beruhen vermutlich auf der Annahme, dass die Banken auch im kommenden Jahr gar nichts mehr finanzieren werden", so Aercap-Chef Heinemann, der gestern für sein Unternehmen sogar einen steigenden Gewinn veröffentlichen konnte, da Aercap bis 2011 durchfinanziert ist und von den sinkenden Zinsen profitiert. Auch den vorhergesagten Verfall der Leasingraten hält Heinemann für zu hoch. In früheren Rezessionen seien die monatlichen Zahlungen um etwa sechs Prozent zurückgegangen.

Doch solche maßvollen Wortmeldungen sind derzeit die Ausnahme. Selbst John Leahys Verkaufstalent hat angesichts der in jedem Fall trüben Aussichten wenig genützt. Am Donnerstag verlor die Aktie von Airbus-Muttergesellschaft EADS zeitweise mehr als fünf Prozent.

© SZ vom 07.11.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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