Lohnsteuerkarte:Nicht mehr von Pappe

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2010 verschwindet die Lohnsteuerkarte aus dem Leben der Deutschen - nach 85 Jahren. Künftig gibt es nur noch eine Computerdatei.

Marco Völklein

In diesen Tagen haben die Einwohnermeldeämter wieder jede Menge zu tun. 35 Millionen Lohnsteuerkarten werden derzeit an die Haushalte verschickt. Doch von 2010 an wird sich das ändern: Dann verschwindet die Lohnsteuerkarte.

Die Lohnsteuerkarte hat die Deutschen 85 Jahre lang begleitet - jedes Jahr in einer anderen Farbe. 2003 war "Planzengrün" an der Reihe. (Foto: Foto: dpa)

Die Firmen, die die Abgaben an den Staat abführen, bekommen die Daten dann elektronisch übermittelt. Im Herbst 2009 werden die Kommunen letztmals Lohnsteuerkarten bedrucken, eintüten und verschicken. Das war's dann. Eine Ära geht zu Ende.

85 Jahre lang wird die Lohnsteuerkarte aus Pappe dann die Deutschen begleitet haben. Eingeführt wurde sie mit dem Einkommensteuergesetz vom 25. August 1925, weiß Dorothea Kaulbach, die im Steuermuseum in Brühl bei Köln die Historie des deutschen Steuerwesens verwaltet.

Bereits im Jahr 1919 hatte der damalige Reichsfinanzminister Matthias Erzberger eine in ganz Deutschland einheitliche Steuergesetzgebung samt Finanzverwaltung eingeführt - ein zur damaligen Zeit revolutionärer Vorgang. Denn bis zum Ende des Ersten Weltkriegs erließ jeder Einzelstaat eigene Steuergesetze und unterhielt eine eigenständige Beamtentruppe, um das Geld vom Bürger einzutreiben.

Erzberger vereinheitlichte dieses Steuerchaos zumindest, etwas vereinfacht wurde es aber erst später. Die Unternehmen, die die Lohnsteuer der Arbeitnehmer an den Staat abführten, mussten Steuermarken bei der Post kaufen und diese an ihre Mitarbeiter weiterverkaufen. Die Marken wurden in Steuerbücher geklebt und entwertet. "Für größere Betriebe war das ein riesiger Aufwand", erläutert Steuerhistorikerin Kaulbach.

Vereinfachung durch Lohnsteuerkarte

Mit der Lohnsteuerkarte änderte sich das. Alle Angaben, die die Betriebe zur Steuerberechnung an den Staat benötigten, fanden sich nun auf der kleinen Pappkarte. Die Abgaben leitete der Arbeitgeber von 1925 an direkt an den Staat. Die Kommunen stellten die Lohnsteuerkarten aus, da sie kurz zuvor eine "Personenstandsaufnahme" vorgenommen hatten - also die steuerpflichtigen Bürgerinnen und Bürger in einer "Urkartei" erfasst hatten.

Lediglich in Kriegszeiten stellten auch mal andere Behörden die Lohnsteuerkarten aus - zum Beispiel Truppenteile oder die Verwaltung der Reichsarbeitsdienstlager.

Farben wechseln jährlich

Die Lohnsteuerkarten waren in den ersten Jahren größer und dicker als heute. Sie hatten DIN-A4-Format, und die Pappe musste ein Gewicht von 150 Gramm pro Quadratmeter aufweisen. Für Karton entschieden sich die Finanzbeamten damals, "damit die Karten mit Adressiermaschinen beschriftet werden konnten", sagt Archivarin Kaulbach. Adressaufkleber gab es noch nicht.

Außerdem musste der Karton mit Tinte beschreibbar sein - "diese Bestimmung gilt bis heute", sagt Kaulbach. Erst 1943 nahm die Lohnsteuerkarte ihre heutige Form an. Das Format schrumpfte von DIN A4 auf DIN A5 und der Karton wurde auch etwas dünner - jetzt wog er nur noch 140 Gramm pro Quadratmeter. "Sicher sollte dadurch Material eingespart werden", erklärt Kaulbach.

Nach dem Krieg übernahm die westdeutsche Finanzverwaltung die Vorgaben aus dem Jahr 1943. Lediglich ein Wasserzeichen kam hinzu. Und die Farbfolge wurde geändert. Dass die Farbe des Kartons jährlich wechselte, kann Kaulbach in ihrem Steuerarchiv erstmals im Reichssteuerblatt aus dem Jahr 1931 nachweisen. Die Farbe damals hieß "Pflanzengrün", im Jahr darauf folgte "Hellorange". Dadurch ließen sich die Karten für die einzelnen Jahre leichter auseinanderhalten als nur durch die Jahreszahl.

1953 führte die Steuerverwaltung eine feste Farbfolge ein: Rot, Gelb, Grün, Orange. Für das Steuerjahr 2010 wird also wieder Gelb dran sein, da die Karte für das Jahr 2009 in Rot gehalten ist.

2010: Jeder erhält eine Steuer-ID

Von 2010 an werden die Pappkarten gänzlich abgeschafft. Die Lohnsteuer selbst aber bleibt. Keine Frage, ist sie doch eine der Haupteinnahmequellen des Staates: 2007 brachte die Lohnsteuer knapp 132 Milliarden Euro in die Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden. Noch mehr Geld kam nur über die - im Januar 2007 erhöhte - Umsatzsteuer, auch Mehrwertsteuer genannt, rein.

An die Stelle der bisherigen Lohnsteuerkarten aus Pappe tritt künftig ein elektronisches Lohnsteuerabzugsverfahren. Jeder Bürger erhält dafür eine lebenslang gültige Steuer-Identifikationsnummer (abgekürzt: Steuer-ID). Das Bundeszentralamt für Steuern verschickt seit Sommer sukzessive Briefe mit den Steuer-ID an jeden Bürger. Neugeborene erhalten künftig bereits mit der Anmeldung beim Standesamt ihre Steuer-ID zugeteilt. Die dazugehörigen Daten speichert das Bundeszentralamt.

Arbeitnehmer müssen von 2011 an ihrem Arbeitgeber ihre Steuer-ID und das Geburtsdatum mitteilen. Über eine Internet-Schnittstelle holt sich das Lohnbüro künftig die Daten, um die monatliche Zahlung ans Finanzamt zu überweisen. Die Pappkarte hat damit ihre Funktion als Datenträger verloren.

© SZ vom 17.10.2008/ld/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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