Lohnkosten:Siemens droht mit Werksverlagerung

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Der Elektronikkonzern erhöht unter dem neuen Konzernchef Kleinfeld den Druck auf die Arbeitnehmer. In der Sparte Siemens VDO könnte erstmals ein ganzer Standort ins Ausland abwandern

Von Markus Balser und Uwe Ritzer

Beim Automobilzulieferer Siemens VDO in Würzburg stehen bis zu 1600 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Die Unternehmensleitung habe mitgeteilt, dass bis Ende 2007 praktisch die komplette Produktion in Würzburg in ein neues Werk im tschechischen Ostrava verlagert werden solle, erklärten Arbeitnehmervertreter am Montag.

Fertigung bei Siemens VDO Automotive. (Foto: Foto: dpa)

Die Pläne des Konzerns stoßen auf heftige Kritik des Betriebsrates und der Gewerkschaft IG Metall. Bei zwei Betriebsversammlungen, in denen die Belegschaft offiziell über die Pläne informiert wurde, gab es nach Angaben von Teilnehmern tumultartige Szenen und wütende Unmutsäußerungen gegen die anwesenden Manager.

Siemens VDO Automotive erklärte am Montag, das Unternehmen habe vor, am Standort Würzburg festzuhalten. Um die Kostensituation zu verbessern, würden allerdings auch Stellenverlagerungen ins Ausland diskutiert, räumte eine Unternehmenssprecherin ein.

Muster bereits bekannt

Siemens folgt damit unter dem seit Januar amtierenden Konzernchef Klaus Kleinfeld dem Muster seines Vorgängers Heinrich von Pierer. Der hatte im Frühjahr 2004 damit gedroht, bis zu 2000 Arbeitsplätze der Telefonsparte nach Ungarn zu verlegen, falls es in den Werken Bocholt und Kamp-Lintfort nicht zu deutlichen Kosteneinsparungen durch Mehrarbeit ohne Lohnausgleich komme.

Anders als die damals betroffenen Werke in Nordrhein-Westfalen zählt der Würzburger Siemens-VDO-Standort jedoch nicht zu den defizitären Krisensparten des Konzerns. Der Bereich machte im vergangenen Geschäftsjahr einen Gewinn von 562 Millionen Euro bei neun Milliarden Euro Umsatz und erwirtschaftete eine Umsatzrendite von 6,2 Prozent.

Mit diesem Wert erfüllt der Bereich zudem die vom Konzern vorgegebene Zielmarge von fünf bis sechs Prozent. Siemens VDO ist einer der weltweit größten Zulieferer für Elektronik, Elektrik und Mechatronik in Fahrzeugen.

Eins von 14 Werken

Würzburg ist eins von 14 deutschen VDO-Werken. Die Siemens-Tochter beschäftigt weltweit 44.000 Mitarbeiter, davon 19.000 in Deutschland.

Am Montag trafen sich Vertreter von Betriebsrat und Vorstand zu einer Krisensitzung in Regensburg. Das Gespräch wurde sehr kurzfristig angesetzt, was in Würzburg als Indiz für die Dramatik der Situation gewertet wird.

An diesem Dienstag wollen Gewerkschaft und Betriebsrat die Öffentlichkeit informieren. Nach Informationen des 2. Bevollmächtigten der IG Metall Verwaltungsstelle Würzburg, Walter Mann, gibt es ein internes Strategiepapier des Siemens-VDO-Vorstandes, das dem Betriebsrat zugeleitet wurde.

Grundstück zu Spottpreis

Darin werden zwei Szenarien beschrieben. Eines davon ist die Komplett-Verlagerung des hochprofitablen Werkes ins tschechische Ostrava. Dort habe das Unternehmen bereits ein großes Grundstück für die Neuansiedelung gekauft, dem Vernehmen nach zu einem Spottpreis.

In der Region Ostrava herrscht hohe Arbeitslosigkeit und die Verantwortlichen werben händeringend um Ansiedelungen. Die Löhne lägen bei einem Fünftel des deutschen Niveaus, so die IG Metall.

"Massive Einschnitte"

Das zweite Szenario des VDO-Vorstandes sieht nach Angaben der Gewerkschaft vor, etwa 800 Arbeitsplätze in Würzburg zu belassen, allerdings nur, wenn die Belegschaft dort zu massiven Zugeständnissen bereit sei. So soll die Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich von 35 auf 40 Stunden angehoben werden. Bezahlte Pausen sollen abgeschafft werden.

Walter Mann sagte der Süddeutschen Zeitung, die Forderungen des Vorstandes würden "massivste Einschnitte in den Flächentarifvertrag bedeuten." Das Verhalten der Unternehmensspitze sei allein deswegen völlig unverständlich, weil das Würzburger Werk sehr effizient arbeite und mit knappen Lieferfristen glänze.

Standort Karben demnächst ebenfalls betroffen

In den nächsten Wochen will Siemens VDO nach Informationen der SZ die Verhandlungen mit der Arbeitnehmerseite über Lohnkosten auf den Standort Karben mit weiteren 1900 Beschäftigten ausdehnen. Dabei soll es ebenfalls um längere Arbeitszeiten und die Reduzierung der Lohnkosten gehen.

Die "Marktfähigkeit" müsse erhöht werden, Ziel sei es, die Umsatzrendite zu steigern, hieß es in Unternehmenskreisen. Derzeit prüft Siemens in einer so genannten Rentabilitätsrechnung die Auslastung des hessischen Standortes.

Der zeitweise erwogene Verkauf des Werkes habe allerdings keine oberste Priorität mehr. Erst im Oktober hatten die Belegschaft in Karben mit der Geschäftsführung eine Betriebsvereinbarung geschlossen und flexiblere Arbeitszeiten vereinbart.

© SZ vom 22.03.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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