Lobbyismus:Einfluss unter Verschluss

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Darf ein Staatsekretär mal eben auf dem kleinen Dienstweg einen Vorstandschef eines Dax-Konzerns fragen, ob was dran ist an Betrugsvorwürfen? Was geht, und was geht nicht?

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Wie viel Einfluss haben Lobbyisten auf die Bundesregierung - und wie stark engagieren sich Spitzenpolitiker für Unternehmen und Organisationen? Noch immer ist politischer Lobbyismus in Deutschland weitgehend eine Blackbox. Vieles läuft ab unter dem Radar der Öffentlichkeit. Beispiel: Darf ein Staatsekretär mal eben auf dem kleinen Dienstweg einen Vorstandschef eines Dax-Konzerns fragen, ob was dran ist an Betrugsvorwürfen - nur weil er den Kontakt in seinem Telefonbuch hat? So, wie es Finanzstaatssekretär Jörg Kukies mit dem früheren Vorstandschef von Wirecard, Markus Braun, zu dessen 50. Geburtstag gemacht hat. Oder, anderes Beispiel: Darf sich eine Bundeskanzlerin auf Auslandsreisen für Unternehmen einsetzen, gegen die Staatsanwälte ermitteln? Wie Angela Merkel es für Wirecard getan hat?

Ein U-Ausschuss im Bundestag bemüht sich, Grenzen der zulässigen Lobbyarbeit im Falle Wirecard aufzuklären. Das ist brisant, weil Tausende Kleinanleger darauf vertraut haben, dass der von der Regierung flankierte Dax-Konzern Wirecard eine gute Anlage für die Altersvorsorge ist. Manche haben alle Ersparnisse verloren.

Parallel hat der Europarat die Regierung aufgefordert, den Einfluss von Lobbyisten auf die politische Agenda transparent zu machen: Mit wem sprechen Spitzenpolitiker wann über welche Themen? Sind die Übergangsfristen für ausscheidende Politiker angemessen? Vor allem aber: Die Regeln zum Zugang der Öffentlichkeit zu behördlichen Dokumenten müssen dringend offener gefasst werden. "Die zahlreichen Gründe, einen entsprechenden Antrag abzulehnen und deren extensive Nutzung, seien problematisch", kritisiert der Europarat. Auch das passt in die Realität des U-Ausschusses. Wer will, dass etwas nicht öffentlich wird, schickt es als Geheimsache in die Schutzstelle des Bundestags. Abgeordnete verbringen Wochen dort, um Akten zu sichten.

Man kann hier einwenden, dass es eine alltägliche Angelegenheit ist, Interessen zu vertreten, jeder Unternehmer, jeder Bürger, jeder Staat kann sie einfordern. Schwierig wird es erst, wenn einige Interessen ernster genommen werden als andere. Wenn sich Netzwerke zementieren, die so viel Macht anhäufen, dass sie eigene Interessen über alles stellen können. Dieser Missbrauch kann durch Transparenz und strikte Regeln verhindert werden.

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