"Living Room" in Gelnhausen:Schub-Lehre

Lesezeit: 1 min

In einem kleinen hessischen Städtchen befindet sich ein sehr ungewöhnliches Haus. Es hat sogar eine Schublade - zum Schlafen.

Andreas Schätzl

In der putzigen Fachwerkumgebung der Gelnhäuser Altstadt ist das Haus ungefähr so unauffällig wie ein Skorpion auf einer Sachertorte. Obwohl es durchaus ein bisschen nach Fachwerk aussieht, ist es anders. Ganz anders. Dieses "Fachwerk" erinnert eher an ein Zebra als an ein komplex strukturiertes Bauwerk. Schon allein dadurch leuchtet das Konstrukt förmlich heraus aus seiner altehrwürdig nachgedunkelten Nachbarschaft.

"Living Room" in Gelnhausen
:Schlafen in der Schublade

Mitten in einem altehrwürdigen Fachwerkviertel sticht ein sehr spezielles Domizil heraus - mit Fenstern ohne Ende und einem mobilen Schlafzimmer.

Dabei ist der "Living Room", das selbst entworfene Heim des Architekten Götz Stöckmann und seiner Frau, alles andere als groß. Das hat seinen Grund im Denkmalschutz. Was hier vormals stand und die unumstößliche Vorgabe für den Grundriss des Nachfolgers gab, war ein uraltes Hexenhäuschen, teilweise aus mittelalterlichem Schutt erbaut.

Kleine Grundfläche also. Demnach musste man in die Höhe, um Raum zu gewinnen. Drei Stockwerke insgesamt bis hinauf zum sehr spitzen Dach, und auch wieder nicht, denn eindeutig voneinander abgetrennte Etagen findet man nicht im "Living Room". Die gesamte Wohnfläche beträgt trotz aller (innen-)architektonischen Kunstgriffe lediglich 65 Quadratmeter. Es war und ist also viel Kreativität gefragt, um einigermaßen durchatmen zu können.

Metamorphose in Bildern
:Vom Haus zum Kubus

Wie aus einem vergleichsweise harmlosen Entchen ein beinahe brutales Stück Architektur wurde - in dem es sich trefflich wohnt.

Eine Lösung des Raumproblems heißt Licht. Mehr als 50 Fenster, auch im Dach, bringen Helligkeit en masse. Ein zweiter Ansatz ist Stauraum. Allenthalben vom Erdgeschoss bis unters Dach gibt es Fächer und Löcher zur Aufnahme von allem Möglichen - sogar im Fußboden.

Den Vogel in puncto Raumerweiterung indes schießt eine aberwitzige Konstruktion ab: Das Schlafzimmer lässt sich bei Bedarf aus der Hausfassade herausfahren - per Knopfdruck. Wie eine überdimensionierte Schublade. Direkt über dem Bett erstrahlt auf Wunsch der Himmel. Oder aber man feiert eine Party und braucht mehr Platz. Kein Problem: Schublade auf. Und wenn es regnet? Auch nicht schlimm. Das Fach ist schnell wieder zu. Was will man mehr?

© sueddeutsche.de/als - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: