Levi's Strauß:Lieber bequem

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Wenn die Menschen in Zeiten von Home-Office und Ausgangsbeschränkungen den Schlabberlook vorziehen, kann das für Levi's nichts Gutes bedeuten: Tatsächlich schreibt das Mode­unternehmen im zweiten Quartal rote Zahlen, 700 Angestellte müssen gehen.

Von Viktoria Spinrad, München

Wenn das Tragen von Jogginghosen bedeutet, dass man die Kontrolle über sein Leben verloren hat, wie es Mode-Papst Karl Lagerfeld einst postulierte, dann sind die vergangenen Monate offenbar ein kollektiver gesellschaftlicher Totalabsturz gewesen. Mitten im "Athleisure"-Boom avancierte die Jogginghose im Quarantänealltag vom bereits gesellschaftsfähigen zum ständigen modischen Begleiter. Ob beim Schlafen, Kochen oder der Zoom-Konferenz mit Kollegen: Die Kontrolle endete nicht selten unter der Tischkante.

Das zeigen auch die Zahlen: So berichtet der Onlinehändler Zalando, dass Kunden doppelt so viele Sweatshirts und Jogginghosen gekauft haben wie im Vorjahr. Doch wo es Gewinner gibt, gibt es meistens auch Verlierer. Einer davon heißt nun: Levi's. Der legendäre Jeanshersteller aus den USA ließ am Dienstag nach Börsenschluss die buchstäblichen Hosen runter: Im Vergleich zum Vorjahr brachen die Erlöse April bis Juni um 62 Prozent und damit um 442 Millionen Euro ein. Finanzchef Harmit Singh sprach zerknirscht von einem "Quartal, wie wir es noch nicht gesehen haben."

Vielerorts türmten sich die ikonischen Jeans in den Hallen

Kein Wunder, fielen die weltweiten Ladenschließungen doch genau in das zweite Quartal. Zwar gingen die Menschen statt in die Innenstadt oder das Einkaufszentrum öfter in die Levi's-App, um online einzukaufen - doch das Plus von 25 Prozent konnte den Einbruch kaum wettmachen. Schließlich kamen auch noch millionenteure Lagerkosten dazu - wie vielerorts türmten sich die ikonischen Jeanshosen mit den Metallnieten und dem Lederetikett in den Hallen.

Das hat für die Mitarbeiter nun schmerzhafte Konsequenzen. Rund 700 Bürojobs sollen wegfallen, laut Levi's sind das etwa 15 Prozent der Stellen außerhalb von Verkauf und Produktion. 100 Millionen Dollar soll die Maßnahme jährlich einsparen - es ist ein Einschnitt in der 167-jährigen Geschichte des kalifornischen Modekonzerns.

Solange ist es her, dass der bayerische Aussiedler Levy Strauss die Blue Jeans erfand. Gedacht war die zunächst als robuste Arbeitshose für das goldschürfende Volk. Später entwickelte sie sich mit Werbeträgern wie Marylin Monroe und James Dean zu einem amerikanischen Mythos. Der ist längst einem scharfen Konkurrenzkampf mit Billig-Jeans und neuen hippen Marken gewichen. Levi's muss sich neu erfinden. Politische Kampagnen und bequemere Stretch-Jeans sollen dabei helfen. Doch das Aushängeschild bleibt die knackige Blue Jeans.

Aber wird sich der eingeigelte Konsument je wieder aus der liebgewonnenen Jogginghose schälen? Darauf kann man bei Levy's nur hoffen. Die Zeichen stehen jedenfalls nicht schlecht. Seitdem die Läden wieder geöffnet sind, läuft es besser als erwartet. Und online verkaufte die Firma im Juni sogar 70 Prozent mehr als im Vorjahr. Hierzulande hilft ja vielleicht auch ein finanzieller Anreiz für die Schlabberlook-Müden: Die reduzierte Mehrwertsteuer werde man vollständig an die Kunden weitergeben, so das Versprechen.

© SZ vom 09.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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