Kundenberatung:Zu teuer, zu unflexibel, zu riskant

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Die Finanzberatung soll künftig transparenter und verständlicher werden. Doch wesentliche Details der neuen EU-Verordnung Mifid II sind noch offen. (Foto: Andrea Warnecke/dpa)

Verbraucherschützer prüfen Anlageempfehlungen. Das Ergebnis ist verheerend.

Von  Thomas Öchsner, Berlin

Sabrina T. hält sich für einen intelligenten Menschen. Aber wenn es um das Thema Geldanlage und Altersvorsorge geht, fällt es ihr schwer, bei den Unmengen von Produkten durchzublicken und nachzuvollziehen, was Finanzberater ihr empfehlen. Auch die Beratungsprotokolle helfen ihr nicht weiter. "Ich lese doch keine zehn Seiten durch, von denen ich die Hälfte nicht verstehe. Selbst ich als Mensch mit Abitur und Studienabschluss muss mich blind auf andere Leute verlassen. Man muss blind vertrauen."

Das tun offenbar viele Verbraucher, wie jetzt eine nicht repräsentative Studie der Verbraucherzentrale (VZ) Baden-Württemberg nahelegt. Dabei wurden mehr als 3500 bereits abgeschlossene Anlagen und gut 360 Vertragsangebote von Banken, Versicherungen und Finanzvertrieben untersucht, mit denen Verbraucher in die Beratung der Verbraucherschützer gekommen waren. Das Ergebnis nennt Werner Bareis, Finanzexperte der VZ in Stuttgart, "wirklich niederschmetternd": So waren 95 Prozent der Vertragsangebote nicht im besten Interesse der Kunden. Ob Lebensversicherung Bausparvertrag, Investmentfonds oder Sparanlagen - sie passten fast nie zur Lebenssituation oder den Wünschen der Anleger. Als Beispiel nannte Bareis einen Kunden, der für einen Baukredit vier Prozent Zinsen zahlt und die Möglichkeit hat, Schulden schneller zu tilgen und trotzdem vom Berater empfohlen bekam, Geld für ein Prozent Zinsen anzulegen.

Die Kunden waren aber auch mit den bereits abgeschlossenen Verträgen schlecht aufgestellt. Hier gab es laut der Auswertung für fast jedes zweite Produkt (45 Prozent) eine bessere Alternative. Mehr als die Hälfte dieser nicht bedarfsgerechten Produkte brachten zu wenig Ertrag oder waren zu teuer. Ein Drittel schätzten die Verbraucherschützer als zu unflexibel ein. Damit wurden die Ergebnisse früherer Untersuchungen bestätigt. "Mit der Beratungsqualität ist es leider nicht besser geworden", sagt Bareis. Die Bundesregierung hatte die Verbraucherzentralen damit beauftragt, als "Marktwächter" die Geschäftsgebaren der Finanzinstitute zu beobachten. Die Studie stützt sich auf 835 Beratungsgespräche vom November 2014 bis Oktober 2015 mit Kunden wie Sabrina T.

Um diese besser zu schützen, fordert Dorothea Mohn, Teamleiterin Finanzen beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, Provisionen für Finanzberater in Deutschland zu verbieten. Solange dies nicht geschehe, müssten die Anleger zumindest eine eigene Abrechnung über die Provisionen bekommen. Solange Beratung und Verkauf verquickt seien, werde es "keinen Wettbewerb um die besten Produkte und die beste Beratung und immer Mist im Vertrieb geben", sagt Mohn.

Mehr Klarheit wünscht sich auch Sabrina T., nachdem sie feststellen musste, eine viel zu teure private Rentenversicherung abgeschlossen zu haben. Sie würde gerne wissen, "wer bei welchem Produkt was verdient und wie so eine Versicherung funktioniert". Gerade beim Thema Rentenversicherung und Alterssicherung wisse man erst dann, ob gut ist, was man gemacht hat, wenn der Fall eintritt. "Und mein Renteneintritt wird erst in 35 Jahren sein. Das ist wie ein Blick in die Glaskugel, das stört mich sehr."

© SZ vom 11.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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